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Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Titel: Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)
Autoren: Cathryn Constable
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als sie sagte, dass sie ein paar junge Mädchen zur Gesellschaft im Palast haben will.« Er lachte, aber es klang mehr wie ein Bellen. »Sie erzählte mir, was sie alles mit euch unternehmen wollte. Aber in Wahrheit wollte sie dich nur aushorchen und dir Hinweise entlocken, wo die Diamanten versteckt sein könnten.«
    Sie stiegen die Treppe zu einem abgelegenen Turm hinauf. Sophie war noch nie in diesem Teil des Palasts gewesen. Ivan riss die Tür auf, hinter der ein überraschend warmer, gemütlicher Raum zum Vorschein kam. Eine vergoldete Uhr tickte auf einem Marmorkaminsims. Pelzdecken waren über vergoldete Möbel drapiert.
    »Als wir hierhergekommen sind, hat sie mir aufgetragen alle Möbel, die noch einigermaßen gut erhalten waren, in dieses Zimmer zu bringen.« Ivan seufzte. »Und weil sie so ein Geheimnis daraus gemacht hat, bin ich irgendwie misstrauisch geworden. Ich habe vorsichtshalber einen Schlüssel zu diesem Raum behalten, und obwohl ich es nur ungern zugebe, bin ich jetzt froh, dass ich auf meine innere Stimme gehört habe.«
    Er legte Sophie eine Hand auf den Rücken und führte sie behutsam hinein. »Als sie mich aus dem Ballsaal geschickt hat, bin ich hierhergekommen. Da erst habe ich wirklich begriffen, was sie vorhatte«, fuhr er langsam fort. »Und deshalb wollte ich sie am Wegfahren hindern.«
    Er zog einen Schlüssel hinter einer vergoldeten Uhr hervor und schloss eine große Einlegevitrine auf. Eine Flut von Papieren flatterte auf den Boden: Porträtfotos, andere Bilder, Tabellen, Karten.
    Ivan schwieg einen Augenblick. »Ich hätte nie gedacht, dass sie dir etwas antun würde. Aber die Wolfsjagd … da wusste ich Bescheid. Sie war eine hervorragende Schützin – und ich habe genau gesehen, dass sie nicht auf den Wolf gezielt hat. Sie hat auf dich gezielt.«
    »Dann haben Sie mir das Leben gerettet?«
    »Sie dachte, du wüsstest nichts. Also warst du wertlos für sie. Der General hat es ihr befohlen …«
    »Sie wollte mich wirklich umbringen?«
    »In diesem Augenblick ja«, sagte Ivan leise.
    Sophies Mund war staubtrocken. Sie bückte sich und las eines der Fotos auf. Ein Mädchen in Schuluniform, das auf einem Pausenhof stand. »Aber … das bin ja ich!« Verwundert hielt sie das Foto Ivan hin. »In meinem Internat in London.«
    »Anna Fjodorovna hat gut recherchiert.« Ivan nahm das verwackelte Foto von Sophie an sich und betrachtete es. »Der General hat seine Sekretärin hingeschickt, um der Sache auf den Grund zu gehen. Er wollte sichergehen, dass es keine Volkonskis mehr gab, die Anna Fjodorovna die Diamanten streitig machen konnten. Niemand, der eines Tages auf der Bildfläche erscheinen würde und sich Prinz oder Prinzessin nannte, nachdem Anna sich diesen Titel selbst zugelegt hatte. Als du gefunden wurdest, muss sie das in tiefe Verzweiflung gestürzt haben«, flüsterte Ivan. »Sie hatte sich eingebildet, sie könnte das alles hier für sich haben, ohne dass jemand merkte, dass es gestohlen war. Aber bei ihrer Suche nach den verschollenen Volkonskis war sie auf den letzten Volkonski-Spross gestoßen. Ein Schulmädchen mit einer vergessenen Familiengeschichte.«
    »Aber davon wusste ich nichts«, protestierte Sophie und kämpfte mit den Tränen. »Niemand hat mir was gesagt.« Sie faltete ihr Foto viermal zusammen und steckte es zerstreut in ihre Tasche.
    »Ja, aber das konnte sie nicht wissen«, seufzte Ivan. »Und nachdem sie dich gefunden und kontaktiert hatte, war ihr klar, dass andere das auch konnten. Sie musste verhindern, dass sie auffliegen würde.«
    »Dann ist es also wirklich wahr?«, fragte Sophie. »Dann bin ich wirklich eine Volkonskaja?«
    Ivan las ein Schwarz-Weiß-Foto auf, das ganz vergilbt und körnig war. Es zeigte ein Mädchen, kaum älter als Sophie. »Das ist deine Urgroßmutter, Sofja.« Er lächelte traurig. »Du siehst ihr sehr ähnlich.«
    Sophie schaute auf das verschwommene Foto von der Wolfsprinzessin. Eine gewisse Ähnlichkeit war da, das konnte sie jetzt sehen. Die geraden Augenbrauen. Die blasse Haut. Aber der Ausdruck! Wie viele Jahre waren diesem Mädchen mit dem offenen, hellen, neugierigen Gesicht noch vergönnt gewesen, ehe es elend im Wald zu Grunde ging?
    »Ihr Kind wurde in Sicherheit gebracht«, wisperte Sophie und dachte an Xenia, diese steinalte Frau. Die Tochter einer verschollenen russischen Prinzessin, die nach England geschmuggelt worden war. Und wozu? Um allein in einem fremden Land zu sterben? Wie traurig das alles war!
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