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Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Titel: Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)
Autoren: Cathryn Constable
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ihr Leben gegeben, damit eines Tages wieder ein Volkonski an diesen Ort zurückkehren konnte. Und Sophie sollte jetzt ihre Familie im Stich lassen? Der Prinz und die Prinzessin waren gestorben, um ihr Kind zu retten, aber sie, die Urenkelin, fuhr einfach nach London zurück. Warum? Vielleicht war sie es nicht wert, eine Volkonskaja zu sein. Vielleicht war sie nur ein Feigling.
    Der Wald und der Schnee und die Wölfe verschwammen vor ihren Augen, wirbelten um sie herum. Ein Moment nur, ein einziger Augenblick in ihrem Leben, und doch war ihr, als nähme sie alles durch die Kristalltropfen des Kronleuchters wahr. Alles war darin enthalten. Sophie wollte tapfer sein. Auf ihre Gefühle hören.
    Vielleicht war ihr Traum ja doch nicht so unerfüllbar, wie sie dachte? Vielleicht stand ihr doch noch ein ganz neues, ganz anderes Leben offen?
    Mühsam drängte sie die Tränen zurück und drehte sich zu ihren Freundinnen um. Der Abschied von ihnen würde ihr das Herz brechen. Aber noch schlimmer wäre es, wenn sie die falsche Entscheidung treffen würde. Hier, am Rand des Volkonski-Waldes, wurde ihr klar, dass sie nicht allein auf der Welt war. Sie war Sophie, ja, aber sie stand auch für ihren Vater, für Xenia, Sofja, Vladimir, für all diese Menschen hier. Sie starrte auf ihre Hände in den Pelzhandschuhen, bewegte ihre Füße in den waljenki und puffte eine weiße Atemwolke in die klare, kalte Luft. Und mit jeder Faser ihres Herzens spürte sie, dass sie für all die verschollenen Volkonskis stand, deren Porträts in der Galerie hingen und darauf warteten, wiederentdeckt zu werden.
    Tief atmete Sophie die kalte Waldluft ein, die sie in ihren Träumen so verzaubert hatte. Dann lächelte sie Marianne und Delphine zu, die sie verwirrt anschauten. Ja. Jetzt war sie glücklich, auf eine Weise, wie sie es noch nie erlebt hatte. Weil sie etwas von sich begriffen hatte. Und sie wusste, was sie zu tun hatte, mit einer Gewissheit, die ihr Herz schneller schlagen ließ.
    »Du hattest Recht, Marianne«, sagte sie so leichthin wie möglich. »Das weiß ich jetzt. Du und deine Theorien.«
    »Wieso? Wovon redest du?« Mariannes Brille beschlug, was ihr einen hilflosen Ausdruck verlieh.
    »Na, diese Theorie, von der du gesprochen hast. An dem Tag, als wir nach Russland gekommen sind. Du weißt schon, dass alles im Universum auf einen bestimmten Punkt hinzielt und dass wir nur an diesem einen Hier und Jetzt sein können, weil wir nur dort richtig sind.«
    »He, ich glaub nicht, dass Robert Dicke das so gemeint hat«, wehrte Marianne stirnrunzelnd ab. »Es ging eigentlich um schwache Nuklearkräfte …«
    Delphine stieß Marianne an. »Darüber können wir uns im Zug weiter unterhalten, okay?«, sagte sie. »Ehrlich, Marianne, du kannst mir alles erzählen – sogar über schwache Nuklearkräfte –, wenn wir nur erst auf dem Heimweg sind!«
    Sophie rührte sich nicht. Marianne nahm ihre Brille ab und polierte sie mit ihrer schuba . Und Sophie kämpfte mit den Tränen, traute ihrer eigenen Stimme nicht.
    Aber sie riss sich zusammen und sagte lächelnd: »Also was ich damit sagen will: Hier bin ich richtig und hier bleibe ich. Ich kann gar nicht anders, Marianne, ehrlich – wenn ich mit euch nach London zurückfahre, verstoße ich gegen ein wichtiges Naturgesetz. Denn das hier ist der Platz, an den ich gehöre.«
    Mariannes Augen wurden ganz rund, als sie ihre Brille wieder auf die Nase schob. Sie stieß einen leisen Pfiff aus und sagte: »Das ist brillant, Sophie! Ich meine, ich kann nachvollziehen, wie du darauf gekommen bist … das ist gut, echt!« Dann umarmte sie ihre Freundin. »Ich weiß nicht, wie wir das Rosemary erklären sollen, Sophie, und ich weiß auch nicht, wie wir in der Schule ohne dich auskommen sollen. Aber vielleicht hast du Recht – vielleicht ist es besser, wenn du hierbleibst … jedenfalls eine Weile.«
    »Du hast dich verändert, Sophie«, sagte Delphine ernst. »Dimitri und seine Familie brauchen dich.« Sie beugte sich weiter zu ihr vor. »Aber wir werden dich vermissen.«
    Sophie bekam einen dicken Kloß im Hals, so dass sie kaum schlucken konnte.
    »Ivan, ist das okay für Sie?«, brachte sie schließlich hervor und schaute zu ihrem Beschützer auf, der ganz still geworden war, als sie mit den anderen geredet hatte. »Ich mache auch keine Umstände.«
    Ivan nickte. »Wir werden mit deinem Vormund sprechen müssen«, sagte er. »Vielleicht erlaubt sie dir, noch eine Weile zu bleiben, wenn wir ihr
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