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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht
Autoren: Catherine Coulter
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Minuten warten? Ich würde früh genug die Fliege machen. Außerdem war es nur gut, wenn meine Freunde Bescheid wussten.
    »Schaut, Leute, ich muss sofort heim und packen. Ich muss einen Flug nach Oregon kriegen. Meine Schwester hatte letzte Nacht einen Unfall. Sie liegt im Koma. Ich kann nicht länger hier rumhängen.«
    Sherlock ging in die Hocke und nahm eine meiner großen Pranken in ihre zierlichen Hände. »Jilly? Sie liegt im Koma? Was ist passiert?«
    Ich schloss für einen Moment die Augen, denn dieser abartige Traum oder was immer es auch gewesen war, überfiel mich unversehens. »Ich hab heute früh in Oregon angerufen«, erklärte ich. »Ihr Mann Paul hat’s mir erzählt.«
    Sherlock legte den Kopf zur Seite und blickte mich ein paar Sekunden lang schweigend an. Dann fragte sie: »Wieso hast du angerufen?«
    Sherlock hatte nicht nur ein großes Herz und jede Menge Mumm, sie hatte darüber hinaus einen messerscharfen Verstand.
    Savich stand nach wie vor in der offenen Tür, groß und topfit wie immer. Und tough, das vor allem. Er musterte seine Frau, die ihrerseits mich aufmunternd ansah und darauf wartete, dass ich ihr mein Herz ausschüttete, was ich auch gleich zu tun gedachte. Gegen sie war ich ohnehin machtlos.
    »Lehn dich einfach zurück und mach die Augen zu, Mac, ja genau. Niemand wird uns stören, das verspreche ich dir. Ich wünschte ich hätte ein bisschen was von Dillons kostbarem Kentucky-Whiskey da. Der würde dich schneller weich machen, als Sean Dillon mit seinem besten Schrei aus dem Bett kriegt.«
    »Das versteh ich zwar nicht so genau, aber ich will dir mitteilen, dass Midge mir letzte Nacht ein Bier gebracht hat«, sagte ich. »Mir wurde nicht schlecht davon. Es schmeckte einfach himmlisch.« Eine Untertreibung. Nicht mal Sex hätte besser sein können, als diese Dose Bud Light.
    »Das freut mich für dich«, bemerkte Sherlock und wartete. Ich sah, wie sie ihrem Mann einen aufmerksamen Blick zuwarf, der entspannt am Türrahmen lehnte, die Arme über der Brust verschränkt. Es war eine Schande, dass es beim FBI nicht mehr Kerle wie ihn gab, anstelle all der angepassten Bürokraten, die Schiss hatten, auch nur einen Finger zu rühren, wenn nicht alles von oben abgesegnet war. Ich hasse eine solche Einstellung und kann nur hoffen, dass ich später nicht auch mal so werde. Vielleicht nicht, in der Terrorismusbekämpfung hatte ich jedenfalls eine gute Chance. Die Bürokraten hockten alle in Washington, aber draußen, im Außendienst, da lief’s absolut anders. Da war man allein und auf sich gestellt, zumindest dann, wenn man einen verdeckten Einsatz gegen eine terroristische Gruppierung in Tunesien hatte.
    »Ein Traum«, gestand ich schließlich. »Damit fing’s letzte Nacht an. Ich träumte, ich würde ertrinken oder je-mand würde ertrinken. Ich glaube, es war Jilly.« Ich erzählte ihnen alles, woran ich mich erinnern konnte. Schulterzuckend fügte ich hinzu: »Und das ist der Grund, warum ich in aller Frühe heute angerufen habe. Ich fand heraus, dass der Traum, oder was immer es war, tatsächlich geschehen ist. Sie liegt im Koma.« Erneut fragte ich mich, was das wohl bedeuten mochte. Würde sie überleben, aber massive Hirnschäden davontragen? Würden wir entscheiden müssen, ob wir den Stecker rauszogen oder nicht?
    »Ich hab Angst«, gestand ich und blickte Sherlock dabei an. »Mehr Angst als je in meinem Leben. Diesen Terroristen mit nur einer .450er Magnum entgegenzutreten, lässt sich damit nicht mal vergleichen. Auch von ’ner Autobombe durch die Luft gepustet zu werden, ist ein Kinderspiel dagegen.«
    »Du hast zwei von denen erwischt, Mac«, erinnerte Savich ruhig, »einschließlich des Anführers, und du wärst in tausend Stücke gerissen worden, hättest du nicht so viel Glück gehabt - der Explosionswinkel war steiler als beabsichtigt - und wäre da nicht diese Sanddüne gewesen. «
    Ich schwieg einen Moment und nickte dann. »So viel verstehe ich schon, aber diesen Traum verstehe ich nicht; er macht mir Angst. Ich fühlte, wie sie unterging. Ich fühlte ihre Schmerzen und dann gar nichts mehr, als wäre ich tot.
    Irgendwie war ich mit ihr verbunden oder war ein Teil von ihr oder so was. Es ist verrückt, ich weiß. Aber ich kann nicht so tun, als wär’s nicht passiert. Ich muss einfach nach Oregon. Nicht nächste Woche oder in zwei Tagen, sondern jetzt gleich. Heute.«
    Einfach weil Sherlock da war und weil ich solchen Schiss hatte, dass ich am liebsten gejault und
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