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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht
Autoren: Catherine Coulter
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Arm gestreichelt.
    Ich grinste sie an. Mein bestes jungenhaftes Grinsen, hoffte ich wenigstens. Das unwiderstehliche. Ich war nicht sicher, ob sie es überhaupt sehen konnte, da es im Zimmer recht finster war und nur das Licht vom Gang hinter ihr hereinschien. Aber ich hoffte, dass zumindest das Flehen bei ihr ankam, das ich in meine Stimme legte. »Midge, erlösen Sie mich. Ich kann’s nicht länger aushalten. Bitte, Sie müssen mich retten. Sie sind meine einzige Hoffnung.«
    Im Licht des Korridors sah ich ein ebenso mitfühlendes wie vergnügtes Lächeln. Sie versuchte es gar nicht zu verbergen. Dann räusperte sie sich. »Mac, hören Sie. Sie liegen seit zwei Wochen flach. Jetzt, da Sie sich allmählich besser fühlen, könnte sich das zu einem Problem auswachsen. Aber leider bin ich verheiratet. Was würde Doug von mir denken? Er kann ganz schön eifersüchtig werden.«
    So viel zum jungenhaften Charme. Ich versuchte es auf die Mitleidstour. »Aber wieso sollte es Doug etwas ausmachen? Er muss es ja nicht mal erfahren, wenn’s ihn so aufregen würde. Obwohl ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wieso.«
    »Wissen Sie, Mac, wenn ich nicht verheiratet wäre, dann würde ich mir die Sache ernsthaft überlegen, obwohl Sie physisch alles andere als auf der Höhe sind. He, ich fühle mich geschmeichelt. Sie sind ’n gut aussehender Kerl, oder waren’s zumindest, wenn man nach dem Foto geht, das von Ihnen in der Zeitung war. Außerdem können Sie auch wieder beide Hände benutzen. Aber so, wie die Dinge stehen, Mac, muss ich leider passen.«
    »Aber ich halt’s einfach nicht mehr aus, Midge. Echt wahr. Nur dieses eine Mal und dann frag ich nie wieder
    - jedenfalls nicht bis morgen Nacht. Ausnahmsweise, Midge. Ich mach auch ganz langsam. Mir läuft ja schon das Wasser im Mund zusammen.«
    Sie stand kopfschüttelnd da, die Hände in die Hüften gestemmt, sehr hübsche Hüften, wie ich vor neun Tagen bemerkt hatte, als mein Verstand nicht mehr gar so benebelt war von all den Medikamenten. Ich seufzte. »Also gut, wenn’s so gegen Ihre Moralbegriffe oder Dougs Moralbegriffe verstößt. Aber ich will Ihnen was sagen, Midge, ich kapier einfach nicht, was so schlimm daran sein soll. Und was Ihr Mann dagegen haben könnte, ist mir schleierhaft. Er würde in meiner Lage wahrscheinlich genauso betteln. He - vielleicht könnten Sie ja Mrs. Luther rufen, vielleicht lässt die sich ja überreden. Ich glaub, sie mag mich, vielleicht...«
    »Mac, haben Sie nicht mehr alle Tassen im Schrank? Mrs. Luther ist fünfundsechzig. Um Himmels willen, so schlimm kann’s doch nicht sein. Ellen Luther? Die würde Sie wahrscheinlich nicht mehr so schnell wieder loslassen.«
    »Aber wieso nicht? Was meinen Sie?«
    »Mac«, sagte sie mit sichtlicher Geduld, »Sie sind einfach geil, nach zwei Wochen Enthaltsamkeit ganz verständlich. Aber Mrs. Luther?«
    »Ich glaube, Sie haben mich falsch verstanden, Midge. Ich will nicht mit Mrs. Luther ins Bett. Mit Ihnen schon, aber Sie sind ja verheiratet, also denk ich nicht weiter dran, höchstens mal alle fünf Minuten, wie jeder normale Mann, eventuell auch öfter, seit es mir wieder besser geht. Nein, was ich mir sehnlichst wünsche, mehr als alles auf der Welt, ist ein kühles Bierchen.«
    »Ein Bier?« Sie starrte mich einen endlosen Moment fassungslos an, dann fing sie an zu lachen, immer lauter, bis sie gezwungen war, die Tür hinter sich zuzuziehen, um die anderen Patienten nicht aufzuwecken. Sie hielt sich den Bauch vor Lachen. »Sie wollen ein Bier? Das ist alles? Ein beschissenes Bier? Und Sie machen ganz langsam?«
    Ich schenkte ihr meinen treuesten, besten Unschuldsblick.
    Sie blieb kopfschüttelnd und nach wie vor lachend im Türrahmen stehen. Über die Schulter gewandt fragte sie: »Wie wär’s mit einem Bud Light?«
    »Dafür könnte ich sogar jemanden umbringen.«
    Die Bierdose war so kalt, dass ich fürchtete, meine Finger würden dran festkleben. Aah, etwas Besseres gibt’s einfach nicht, dachte ich, während mir das kühle Nass durch die Kehle zischte. Ich fragte mich, welche Schwester wohl Bier im Kühlschrank hortete. Ich trank auf einen Zug die halbe Dose aus. Midge stand am Bett und schaute auf mich hinunter. »Ich hoffe, dass Ihnen bei all den Medikamenten nicht schlecht wird von dem Bier. He, immer schön langsam. Sie haben versprochen, es rauszuzögern. Typisch Männer, man kann ihnen nicht trauen, besonders nicht, wenn’s um Bier geht.«
    »Es ist ’ne ganze
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