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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht
Autoren: Catherine Coulter
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höchstens drei oder vier Jahre. Wenn ich nicht extra danach Ausschau gehalten hätte, wäre ich sicher daran vorbeigefahren.
    Ich war überrascht, wie sehr es ihrem früheren Haus in Philadelphia ähnelte. Erst dann sah ich den Streifenwagen, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte.
    Ich stellte meinen Leihwagen vor dem Haus ab und fragte mich dabei, wie lange Paul wohl noch im Krankenhaus bleiben würde. Dann ging ich zu dem Streifenwagen, einem weißen, viertürigen Chrysler mit der grünen Aufschrift SHERIFF.
    Ich streckte den Kopf zum Beifahrerfenster hinein. »Was gibt’s? Warten Sie auf Paul?«
    Im Wagen saß eine Frau Ende zwanzig, in einer makellos gebügelten beigen Sheriffskluft, einem breiten schwarzen Ledergürtel, in dem eine 9-mm-SIG-Sauer, Modell 220 steckte, eine erstklassige Automatikpistole, die ich selbst sehr gut kannte. Sie erwiderte: »Ja. Und wer sind Sie?«
    »Ich bin Ford MacDougal, Jillys Bruder aus Washington D.C. Ich kam her, um sie zu besuchen und um herauszufinden, was mit ihr passiert ist.«
    »Sie sind also dieser FBI-Agent?«
    In ihrer Stimme lag unüberhörbares Misstrauen. »Neuigkeiten sprechen sich hier aber ziemlich schnell rum«, bemerkte ich. Ich streckte meine Hand durchs offene Wagenfenster. »Nennen Sie mich Mac.«
    Sie trug schwarze Lederhandschuhe, die sich kühl und butterweich anfühlten, als sie mir die Hand schüttelte. »Ich bin Maggie Sheffield, Sheriff hier in Edgerton. Ich will auch rausfinden, was mit Jilly passiert ist. Kommen Sie gerade aus dem Krankenhaus?« Als ich nickte, fragte sie: »Irgendwas Neues?«
    »Nö. Paul ist noch bei ihr. Er ist ganz schön fertig.«
    »Kein Wunder. Muss die reinste Hölle für ihn sein. Geschieht ja nicht jeden Tag, dass die eigene Frau über eine Klippe rast und im Krankenhaus endet, anstatt im Leichenschauhaus und ihr Porsche ein feuchtes Begräbnis kriegt.«
    Sie klang, als wolle sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Wegen Jilly oder wegen des Porsches?
    »Haben Sie Jillys Porsche mal ausprobiert?«
    »Ja, einmal. Das Komische dabei ist, dass ich normalerweise kein Raser bin. Aber ich hab mich hinters Steuer gesetzt, den Blick auf die Straße gerichtet und sofort aufs Gas gedrückt. Ich machte achtzig Sachen, bevor es mir richtig klar wurde. Bloß gut, dass kein Bulle in der Nähe war.« Sie lächelte und wandte den Blick für einen Moment von mir ab. »Jilly war so glücklich über dieses Auto. Sie ist jauchzend und hupend damit über die Fifth Avenue gedüst, ist Schlangenlinien gefahren. Die Leute sind aus den Läden und Häusern gelaufen, haben mit ihr gelacht und gewettet, wann sie die Karre mit ihren Albernheiten wohl zu Schrott fährt.«
    »Was sie ja auch getan hat.«
    »Ja, aber nicht aus jugendlichem Überschwang. Da muss was ganz anderes passiert sein.« Die Düsterkeit in ihrer Stimme war kurz verschwunden gewesen, doch nun war sie wieder da. Ebenso wie das Misstrauen. Ich war überrascht, als sie nun wütend mit der Faust auf das Lenkrad schlug. »Das macht einfach keinen Sinn. Rob
    Morrison, der Streifenpolizist, der sie rausgezogen hat, sagte, sie hätte noch mal aufs Gas getreten, als sie auf die Klippe zuraste. An dieser Stelle geht es zum Rand der Klippe ziemlich steil hoch, was bedeutet, sie musste Gas geben, wenn sie durch die Leitplanke wollte. Aber ich begreif das nicht. Jilly hätte nie versucht, sich umzubringen.« Sie hielt einen Moment inne und suchte stirnrunzelnd das Kiefernwäldchen auf der anderen Straßenseite zu durchdringen. »Ich nehme nicht an, dass Ihnen was dazu einfällt, oder?«
    Ich hätte einfach Nein sagen sollen, weil ich nicht wollte, dass mich das Fräulein Sheriff für verrückt hielt, aber was stattdessen aus meinem Mund kam, war: »Doch, schon. Aber verstehen tu ich’s trotzdem nicht.«
    Sie lachte. Es war ein ehrliches Lachen. »Also, das müssen Sie schon ein wenig näher erklären. Hören Sie, Sie sind trotz allem ein Bundesbeamter. Sicher, Sie sind auch Jillys Bruder, aber zunächst mal sind Sie ein FBI-ler. Was geht hier vor?«
    »Das alles stimmt schon, aber ich bin im Moment außer Dienst. Ich bin hier als Jillys Bruder, das ist alles. Ich hab nicht die Absicht, hier den großen FBI-Mann rauszukehren, Sheriff.« Mein Magen knurrte vernehmlich. »Ich sag Ihnen was. Paul ist noch immer im Krankenhaus, und ich werde hier bei ihm wohnen, da das >Buttercup B&B< wegen des Zahnärztekongresses ausgebucht ist. Es ist schon Nachmittag, und ich hab seit dem
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