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Wo ich zu Hause bin

Wo ich zu Hause bin

Titel: Wo ich zu Hause bin
Autoren: Anselm Gruen
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war ich willkommen. Dort bekam ich alles, was ich nötig hatte, dort hatte ich das nötige Einkommen.
    Schon vor dem Zweiten Weltkrieg, als viele Deutsche aus ihrer Heimat vertrieben wurden, beschäftigte sich die katholische Theologie mit dem Begriff der Heimat.Der Jesuit Alfred Delp, der 1945 von den Nazis hingerichtet wurde, hat im Jahre 1940 in den Stimmen der Zeit einen Aufsatz über Heimat geschrieben. Er vertritt darin die Meinung, durch den Krieg seien viele Menschen heimatlos geworden. So sei der Begriff der Heimat neu ins Bewusstsein gerückt. Heimat ist für ihn nicht einfach nur der Ort, an dem wir aufgewachsen sind, wo wir hingehören. Vielmehr meine Heimat immer schon eine innige Beziehung zu dem Ort, an dem wir lange Zeit gelebt haben. Delp schreibt, im Begriff Heimat liege »die ursprüngliche Beziehung des Menschen zu dem Land, in dem er geboren, zu dem Eigentum, in das er hineingeboren wurde, zu den Menschen, mit denen er über Land und Eigentum verbunden ist, und es liegt darin eine Zuständlichkeit des Menschen selbst, die so tief in sein Leben und dessen rechte Ordnung eingreift, dass der Heimatlose als der Mensch des Elends und des Unglücks bezeichnet wird« 3 . Heimat sei mehr »als ein Hüten und Bewahren alten Brauchtums« 4 . Zur Heimat gehöre nicht nur der Ort, sondern auch die Zeit. Es brauche eine dauernde Beziehung zu dem Ort, ein Anteilnehmen an der Geschichte dieses Ortes. »Die Geschichte bindet tief und verpflichtend an die Heimat, und sie bewahrt die Heimat vor der Entartung in das kleinbürgerliche Idyll.« 5 Menschen fühlen sich beheimatet in einer gemeinsamen Geschichte. Das erlebe ich oft bei Mitbrüdern, die in der Rekreation von den alten, längst verstorbenen Mitbrüdern erzählen. Die Geschichte, die sie miteinander erlebt haben, ist für sie Heimat, nicht nur der Ort Münsterschwarzach. Dabei sind es vor allem die leidvollen Erinnerungen,die die Menschen zusammenbinden und so etwas wie Heimat schaffen.
    Heimat meint aber vor allem die Gemeinschaft, die mich trägt. Sie kann unabhängig vom Ort entstehen. So ist für viele Ordensleute die Ordensgemeinschaft Heimat, auch wenn sie an viele Orte zerstreut ist. Alfred Delp spricht von einer »metaphysischen Heimatbedürftigkeit des Menschen«. Der Mensch ist von seinem Wesen her auf Heimat angewiesen: »Der Mensch ist aus seiner letzten Wirklichkeit her ein gebundenes Wesen, er ist auf Ordnungen und letzte Heimgründe angewiesen.« Das Leben »ist ein Suchen nach Heimgründen, in denen es sich verfestigen und aus denen es eine letzte Sicherheit gewinnen könnte« 6 . Delp spricht schon 1940 vom innerlich heimatlos gewordenen Menschen. Die äußere Mobilität hat ihn auch innerlich zum Nomaden gemacht. Und Delp weist auf die Gefahr hin, dass solche Nomaden dann anfällig sind für ein Kollektiv, das »in einer Art magisch-mystischer Benommenheit« 7 das, was Heimat ursprünglich war, ersetzt. Heimat steht für Delp »in einer tiefen und ursprünglichen Beziehung zu Religion. Sie enthüllte sich uns als die Summe der Bindungen und Ordnungen, in denen der Mensch verwurzelt und zu Hause ist und in deren Bejahung und Pflege er erst ganz Mensch wird … Die Rückbindung ( religio ) des Menschen auf die tragenden Gründe findet ihre letzte Tiefe aber erst eben in der – Religio, in der der Mensch tatsächlich heimfindet zu einer letzten Geborgenheit und Sicherheit« 8 .
    Alfred Delp hat seinen Artikel über die Heimat bewusst als Gegenentwurf gegenüber der Heimatideologiedes Dritten Reiches geschrieben. Im Dritten Reich wurde der Begriff Heimat in den Mittelpunkt einer Blut-und-Boden-Ideologie gesetzt. Es entstanden kitschige Heimatromane. Vor dem Dritten Reich verherrlichten die Heimatromane die Idylle des Dorflebens gegenüber dem Stadtleben. Im Dritten Reich war Heimat das kostbare Gut, das man verteidigen musste. Den Soldaten sang man das Lied vor: »Heimat, deine Sterne«. Heimat wurde auf die arische Rasse verkürzt. Daher rebellierten die Dichter und deckten die Hohlheit dieses Heimatbegriffes auf.
    Ab den Achtzigerjahren machten sich Dichter und Soziologen wieder neu Gedanken über die Heimat. Oft waren es Heimatvertriebene, die über das Thema Heimat nachdachten. Christian Graf von Krockow, der mit 17 Jahren 1944 aus Hinterpommern in den Westen floh, hat 1989 ein Buch geschrieben mit dem Titel »Heimat. Erfahrungen mit einem deutschen Thema«. Darin wehrt er sich, die Heimat zu einer Idylle zu stilisieren. Das Leben in
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