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Wo fehlt's Doktor?

Wo fehlt's Doktor?

Titel: Wo fehlt's Doktor?
Autoren: Richard Gordon
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Wollweste und setzte das kleine, unordentliche Laboratorium unter Pfeifenqualm. Der Cheftechniker war ein rundlicher, kleiner Mensch mit einem unappetitlich wirkenden buschigen Schnurrbart und mit ungewöhnlich roten Backen. Seit seiner Kindheit war er Patient im St. Swithin, und wenn es ihm gelungen war, aus der streng gedrillten Mannschaft der Krankensäle in den Stab des Spitals aufzusteigen, so verdankte er dies weniger seiner Tüchtigkeit als dem Bestreben der Ärzte, ihn in ihrem Blickfeld zu behalten, bis sie eines Tages herausfinden würden, was eigentlich in seinem Körper vor sich gegangen war.
    Während er seinen weißen Mantel anzog, öffnete Muriel ihre Handtasche. »Ich habe eine Probe mit. Dachte, es wäre besser, sie selbst heraufzubringen.«
    »Von einem Ihrer Patienten, nicht wahr?«
    »Nun ja. Oder eher nein. Eigentlich stammt sie von einer meiner Freundinnen.« Sie zog eine kleine, mit einer Schraubkappe verschlossene Spitals-Testflasche, die mit einer strohgelben Flüssigkeit gefüllt war, aus der Tasche.
    »Worauf soll es denn untersucht werden?« Mr. Winterflood hielt das Fläschchen gegen das Licht und prüfte es mit Kennerblick. »Zucker und Eiweiß?«
    »Ah - nein. Schwangerschaft.«
    »Aha!« Er stellte die Flasche auf den Labortisch. »So eine kleine Probe ist wie eine Bombe, nicht? Kann ohne weiteres das Leben zweier Menschen über Nacht grundlegend verändern. Ich bin so was wie ein Philosoph und habe schon oft darüber nachgedacht. Da gibt es Damen, die in Freudentränen ausbrechen, wenn sie erfahren, daß etwas unterwegs ist. Andere wieder... na ja... die geraten in einen schrecklichen Zustand. Drohen gelegentlich, sich umzubringen. Tun’s manchmal auch, soviel ich weiß. Heute allerdings nicht mehr so oft, weil solche Sachen sich ja ganz offiziell in Ordnung bringen lassen. Verhalten sich im großen und ganzen aber immer noch wie aufgeschreckte Hühner. Komisch, was. Dasselbe Ereignis und grundverschiedene Reaktionen. Wie ich schon immer in bezug auf unser Leben gesagt habe: Nicht das, was auf uns zukommt, zählt, sondern der Gesichtswinkel, aus dem man es betrachtet. Also, wenn sich der Premierminister von mir einen Rat geben ließe...«
    »Wann werden Sie das Ergebnis wissen?«
    »Genügt Ihnen heute abend?«
    »Ich komme herauf.«
    »Machen Sie sich nicht die Mühe. Ich rufe Ihre Freundin
    an.«
    »Man kann sie telefonisch nicht erreichen.«
    »Ist sie verheiratet?«
    »Nein.«
    »Aha. Ich verstehe. Könnte sie in Verlegenheit bringen, wenn man ihr etwas ausrichten ließe. Sie glaubt also, daß sie in anderen Umständen ist?«
    »Ja.«
    »Schon weit fortgeschritten?«
    »Nicht sehr. Eigentlich ist sie nicht ganz sicher. Darum hat sie diese Probe geschickt.«
    »Es gibt kaum etwas, das ein Mädchen so aus der Ruhe bringen kann, nicht wahr?« Er zündete wieder seine Pfeife an.
    »Wie heißt denn die schlimme kleine Dame?«
    »Smith.«
    »Aber ich bitte Sie...«
    »Müssen Sie denn wirklich ihren Namen haben? Sie ist... eine sehr alte Freundin von mir.«
    »Ich muß den Namen haben. Laborvorschrift. Alle Proben müssen deutlich mit Namen und Alter des Patienten und der Krankensaalnummer beschriftet sein. Was geschieht, wenn der Professor hereinkommt und die Flasche findet? Da komm’ ich in des Teufels Küche... Und was ist, wenn sich der Professor entschließt, den Test selbst zu machen? Als Demonstration vor seinen Schülern? Da muß er zu Beginn laut den Namen der Patientin verlesen...«
    Die Aufregungen dieses Morgens hatten Muriel schon hart genug zugesetzt; jetzt fühlte sie, wie alles vor ihren Augen zu tanzen begann.
    »Mr. Winterflood, ich wünsche ausdrücklich, daß Sie selbst diesen Test durchführen; der Professor darf nicht in die Nähe der Probe kommen. Sie stammt nämlich von mir.«
    »Oh!« Mr. Winterflood griff wieder nach dem Fläschchen und betrachtete es jetzt mit mehr Ehrerbietung.
    »Bitte, bitte, wollen Sie das für mich tun?« flehte Muriel. »Der Test kann natürlich auch negativ verlaufen. Aber selbst dann möchte ich nicht, daß das ganze Spital davon erfährt. Das verstehen Sie doch sicher?«
    »Keine Sorge, Miß. Sie können sich auf meine professionelle Diskretion verlassen. Ich werde Ihren Namen mit Bleistift auf der Testflasche vermerken und ihn sofort nach dem Test ausradieren. Zufrieden?«
    Muriel sah nervös auf die Uhr. Sie hatte sorgfältig den Zeitpunkt vor dem gewohnten Eintreffen des Professors gewählt. Jetzt konnte der Herr Professor jeden
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