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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
Autoren: Andrea Walter
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»Und du willst auch mit Jón sprechen?«, fragt er noch. »Das wär toll.« – »Ich sehe mal, was ich da tun kann.« Dann verschwindet er mit Worten, die für einen Rockstar erstaunlich klingen. »Ich muss los, zur nächsten Sitzung ins Rathaus.«
    Zwanzig Minuten später klingelt mein Telefon. Der Assistent von Jón Gnarr ist dran. »Du möchtest unseren Bürgermeister interviewen? « – »Ja, das wär schön«, sage ich. »Wir schauen mal, was wir machen können. Er kommt heute erst aus New York zurück. Wir rufen dich an.«

Bobbys Buchladen
    Jetzt, wo Einar Örn das Schachspiel erwähnt hat, fällt mir noch etwas ein, was ich noch machen wollte. Mich auf die Spuren von Schachlegende Bobby Fischer in Reykjavík begeben. Wie schon erwähnt, soll Bobby Fischer mit den Jahren wunderlich geworden sein. Vermutlich weil Genie und Wahn manchmal eben wirklich nah beieinanderliegen. Bobby jedenfalls, der selbst jüdischer Herkunft war, schockte mitunter durch antisemitische Äußerungen. Und selbst die Anschläge des 11. September 2001 begrüßte er in einem Radiointerview. Im Jahr 2004 wurde Fischer am Flughafen von Tokio verhaftet, weil er durch das Revanche-Match 1992 gegen Boris Spasski in Jugoslawien gegen ein US-Wirtschaftsembargo verstoßen hatte. Doch die Isländer gewährten ihm 2005 ihre Staatsbürgerschaft. Seit dem berühmten Duell 1972 zwischen Spassky und Fischer fühlte die schachbegeisterte Nation sich der Spielerlegende verbunden. Die Einbürgerung sei jedoch, wie ein Sprecher des isländischen Außenministeriums deutlich machte »eine rein humanitäre Geste«, während man Fischers politische Ansichten keineswegs unterstütze.

    Ab 2005 konnte man Bobby Fischer also durch Reyjkavík laufen sehen. Mein Freund Dagur erzählt, dass man ihn immer im Antik-Buchladen finden konnte, im »Bókin-Antikvariat« in der Klapparstígur, Ecke Hverfisgata. Dort saß er jeden Tag in einer Ecke und las. Also gehe ich in den Laden, von dem mir Dagur lachend erzählt hat, dass er aussehe, »als würden die Taliban dort trainieren«. Und ein bisschen stimmt das wirklich. Der Laden platzt vor lauter alten Büchern aus allen Nähten. Sie liegen kreuz und quer herum. Es ist der unglaublichste Antik-Buchladen, den ich je gesehen habe. Und wen wundert’s: Der Besitzer tritt einmal in der Woche in einer Fernsehshow auf, weil er immer so gute Anekdoten zu erzählen hat.
    Da er nicht im Laden ist, spreche ich mit seinem Sohn Ari Gísli Bragason. »Jau«, sagt der, »Bobby kam oft hierher.« Er grinst und zeigt mir die Bobby-Fischer-Gedenkecke, die extra für ihn eingerichtet wurde. Es ist ein schlichter Holzstuhl neben einem kleinen Regal mit Schach-Fachlektüre – und einem Buch der Anonymen Alkoholiker, das sich aber möglicherweise nur hierher verirrt hat. »Hier saß er immer und hat gelesen«, sagt Ari Gísli, dessen Finger ganz schwarz sind vom Hantieren mit den alten Büchern. In Bobbys Ecke hängen Schachmedaillen und eine Collage in einem goldenen Rahmen. Sie zeigt ein Bild von Bobbys Kopf auf einem Schachbrett, auf seinem Kopf eine Krone. Darunter steht: »Bobby Fischer, 1943 – 2008, King of Chess, Rest in Peace.« Und das kann man der Legende wahrlich wünschen. Bobby habe immer seine Post von zu Hause mitgebracht, erzählt Ari Gísli. Und er habe sie dann für ihn öffnen müssen, weil Bobby Angst hatte, sie sei vergiftet und man würde einen Anschlag auf ihn verüben. Irgendwann dachte Ari Gísli sich: »Ach, und wenn ich vergiftet werde, dann macht es ihm nichts?« Er grinst. Aber er hat nichts gesagt und die Post trotzdem geöffnet –
denn da war ja nie was. Bobby hätte sich außerdem immer wahnsinnig aufgeregt darüber, wie es im Laden aussah, erzählt Ari Gísli. Jeden Tag hätte er geschimpft und gesagt, dass sie aufräumen müssten. Aber Ari Gísli ist eben ein echter Isländer und die sind nur schwer aus der Ruhe zu bringen. Er habe immer geantwortet: »Wir arbeiten daran, Bobby, wir arbeiten daran.«
    Im Januar 2008 starb Robert James Fischer in einem Krankenhaus in Reykjavík an Nierenversagen. Eine Nierentransplantation hatte er abgelehnt. Nicht einmal Schmerzmittel wollte er. Heute liegt er neben einer kleinen Kirche in der Nähe von Selfoss begraben.

Der komische Bürgermeister
    Ein paar Tage später habe ich tatsächlich ein Interview mit Jón Gnarr, Reykjavíks berühmtem Bürgermeister. Wir sitzen im dritten Stock des Rathauses mit Blick auf den See, in dem unzählige Vögel aufgeregt flattern
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