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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
Autoren: Andrea Walter
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flitze ich zum Rezeptionisten und flüstere: »Ist das Einar Örn Benediktsson?« Er nickt und ich gehe dem Typ hinterher. Ganz ehrlich, das habe ich noch nie gemacht. Normalerweise verabrede ich brav Interviewtermine. Aber wenn es nicht anders geht, dann geht es eben nicht anders. Einar Örn steht gerade vor der Tür des Rathauses und dreht sich eine Zigarette, als ich ihn anspreche. Ich sage: »Hi Einar, ich hab dir eine E-Mail geschrieben. Ich wollte fragen, ob ich dich irgendwann die Tage interviewen kann.«
    Er guckt mich an, etwas müde sieht er aus. »Gleich schickt er mich zum Teufel«, denke ich. Aber Einar Örn sagt: »Ja, okay, wie wäre es jetzt?« – »Klar«, an derartige Spontanzusagen bin ich ja bereits durch Vigdís gewöhnt. Wir gehen in ein Café um die Ecke. »Kompliment. Spaß-Parteien kennt man auch aus anderen Ländern. Aber normalerweise werden die nicht gewählt. Wie habt ihr das geschafft?« Einar Örn trinkt Ginger Ale, lässt sich Zeit für seine Antworten und spielt zwischendurch mit seinem Totenkopfring. »Nun, es gibt ein paar Faktoren, die dazu beigetragen haben. Nach dem Finanzcrash im Oktober 2008 fragten alle nach einem ›neuen Island‹. Nach Transparenz. »Ich denke, die Tatsache, dass wir gewählt wurden, hat vor allem damit zu
tun, dass die Leute gegen die alte Regierung waren. Dass die Leute dachten: ›Lasst uns den Politikern eine Lektion erteilen!‹«
    »Habt ihr damit gerechnet, gewählt zu werden?«, möchte ich von ihm wissen.
    »Wir haben nie darüber nachgedacht, was passieren würde, wenn wir gewählt würden«, antwortet Einar Örn. Sie seien in erster Linie eine Aktivisten-Gruppe gewesen, um nicht passiv dazustehen. Jetzt würden sie versuchen, die Politik menschlicher zu gestalten. Anders zu reden als die Politiker vor ihnen, zum Beispiel. Wie normale Leute. Und da merke ich es erst: Es ist tatsächlich ein ganz ruhiges Gespräch. Er haut mir keine Parolen um die Ohren, wie Politiker es gerne tun. Es ist vielmehr eine Unterhaltung mit einem Künstler, der sich Gedanken macht. »Wem gehört eigentlich die Politik?« Auch diese Debatte wollten sie herausfordern, erklärt Einar Örn. Und jetzt gehöre sie glücklicherweise eben nicht mehr bloß den alten Parteien. Jetzt können auch andere etwas tun und Lösungen finden. Einar Örn ist ernst: »Wir haben zwar in unserer Kampagne gesagt, dass wir für offene Korruption sind. Aber das sind wir natürlich nicht. Wir sind gegen Korruption.« Was das angeht ist die Besti Flokkurinn unbescholten: »Wir haben keine Geschichte von Leichen im Keller«, sagt er und auch keine alten Parteiverbindungen, die sie beschränken. Sie können also wirklich frei darüber nachdenken, was zu verändern ist.
    Nach der anfänglichen Begeisterung würde ihnen zurzeit manchmal vorgeworfen, sie seien inkompetent, erzählt Örn. Dass sie mit bestimmten Themen nicht umgehen können, weil sie nicht wissen, wie die Dinge laufen. Aber er meint: »Wir arbeiten eben auf andere Weise.« Als Künstler sei das doch ein großer Teil der Arbeit, Lösungen zu finden. Heute entscheide er über Kultur und Tourismus. »In dem Bereich arbeite ich seit über 30
Jahren. Ich weiß, wo ich herkomme. Und ich weiß, wie ich Dinge machen kann. Das ist mir nicht fremd.«
    »Aber ihr müsst jetzt auch unpopuläre Entscheidungen treffen, Sparmaßnahmen durchsetzen.« – »Ja«, sagt Einar Örn. »Aber diese Entscheidungen basieren auf Fakten und Wissen, und so fällen wir eben auch solche Entscheidungen, weil sie gefällt werden müssen. Es ist wie ein neues Projekt. Und wir tun unser Bestes.« Manche Leute würden zu ihnen sagen: »Jetzt seid ihr an der Macht«, sagt der Sänger. »Aber wir sehen es nicht als Macht. Wir sehen es als Werkzeug, um Dinge zu tun. Wir versuchen, offen und naiv zu sein. Und gut.« Dazu gehöre auch, ehrlich zu sein. Als kürzlich eine chinesische Delegation nach Reykjavík kam, überreichte Bürgermeister Jón Gnarr ihnen beispielsweise einen Brief, in dem er gegen die Inhaftierung des-Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo protestierte, erzählt Örn. Und die Delegation machte kehrt.
    »Im Grunde ist es wie Schachspielen lernen«, sagt Einar Örn. »Wenn du Schachspielen willst, musst du erst lernen, welche Figur sich wie bewegen kann. Dann kannst du es. Wir lernen im Moment noch, wie sich die Figuren bewegen. Aber wir werden bald sehr gut Schach spielen. Die letzten elf Monate waren ein großer Lernprozess.« Dann muss er langsam gehen.
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