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Wo die Nelkenbaeume bluehen

Wo die Nelkenbaeume bluehen

Titel: Wo die Nelkenbaeume bluehen
Autoren: Danielle Stevens
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hier vor sich ging.
    Halb stolpernd, halb laufend eilte Lena davon. Tränen verschleierten ihr den Blick, doch sie blieb nicht stehen. Erst als sie die verwinkelten Gassen der Altstadt wieder erreichte und der Lärm hinter ihr langsam abebbte, wagte sie es, ihre Schritte zu verlangsamen.
    Wenige Minuten später trat sie hinaus auf eine deutlich belebtere Straße, auf der auch Autos fuhren. Sie wischte sich den Staub und die Tränen aus dem Gesicht. Als sie ein Taxi sah, winkte sie es sofort heran, kletterte mit noch immer zitternden Knien auf den Rücksitz und nannte den Namen ihres Hotels.
    Während die Lichter der Stadt an ihrem Fenster vorüberflogen, wanderten Lenas Gedanken zurück zu Andy und ihrem ungeborenen Kind, das mit ihm gestorben war, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    Ach, wenn du doch jetzt bei mir sein könntest! Du und unser kleiner Krümel …
    Lena hatte gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen war, als der Taxifahrer sich zu ihr umwandte und verkündete: „ Miss’us ? Wir sind da, Miss’us. Zanzibar Jumba Hotel .“
    Sie blinzelte, kramte ein paar Tansania-Schilling hervor, die sie noch in ihrer Geldbörse hatte, und hoffte, dass es ausreichte, um die Taxifahrt zu bezahlen.
    Es reichte.
    Sie stieg aus und hastete ins Hotel, ohne auf die neugierigen Blicke der Passanten zu achten. Ebenso wenig blieb sie stehen, als der Portier am Empfangsschalter ihr nachrief, dass ein junger Mann aus Deutschland für sie angerufen habe. Nein, Lena blieb erst stehen, nachdem sie die Tür ihres Zimmers hinter sich geschlossen hatte.
    Dann sank sie kraftlos am Türrahmen herab, das Gesicht in den Händen geborgen, und ließ ihren Tränen freien Lauf.
    Am nächsten Morgen drang helles Sonnenlicht durch die Fensterläden ihres Zimmers. Lena konnte sich nicht daran erinnern, zu Bett gegangen zu sein. Doch als sie erwachte, fand sie sich – noch immer vollständig angezogen – auf der Matratze wieder. Kein Wunder, dass sie sich so verschwitzt fühlte und die Kleidung ihr klamm am Körper klebte.
    Als sie sich umdrehte, um aufzustehen, erblickte sie zu ihrer Überraschung einen mageren schwarz-weißen Kater, der leise schnurrend neben ihr auf dem Kissen döste. Er musste in der Nacht auf der Suche nach einem sicheren Schlafplatz über die angrenzenden Dächer und durch das halb geöffnete Fenster hereingekommen sein. Offenbar war das Tier überzeugt, dass von Lena keine Bedrohung ausging, denn als sie sich aufsetzte, hob es nur träge die Lider und schloss sie gleich wieder.
    Lächelnd kraulte Lena dem Kater das weiche Fell. Irgendwie war es tröstlich, ihn hier bei sich zu haben. So fühlte sie sich nicht mehr gar so schrecklich allein in diesem fremden Land, in dem sie niemanden kannte und dessen Sitten und Gebräuche ihr fremd waren.
    Andy hatte früher immer davon gesprochen, sich eine Katze oder einen Hund anzuschaffen. Lena war dagegen gewesen. Sie beide – Andy als Schriftsteller und sie als Lehrerin der Sekundarstufen I und II – waren beruflich stark eingespannt gewesen. Zu stark, als dass sie die notwendige Zeit hätten aufbringen können, die ein Haustier erforderte.
    Schon spürte sie wieder, wie ihr Blick verschwamm. Andy zu verlieren hatte ein Loch in ihr Herz gerissen, das anstatt zu heilen von Tag zu Tag größer zu werden schien. Als ihr ein Schluchzen entfuhr, schlug sie sich erschrocken die Hand vor den Mund.
    Nein, sie würde sich nicht wieder ihrem Kummer und ihrer Zukunftsangst ergeben! Sie straffte die Schultern und blinzelte die Tränen fort. Deshalb war sie nach Sansibar gekommen: Sie wollte das Buch zu Ende schreiben, an dem Andy gearbeitet hatte, bevor er starb.
    Aber vor allem wollte sie wieder zurück zu sich selbst finden.
    In jener schicksalhaften Nacht hatte sie durch den Unfall alles verloren, was ihr im Leben lieb und teuer war: Andy, ihr ungeborenes Kind und bis zu einem gewissen Grad auch sich selbst. Lena wusste, wenn sie es jetzt nicht schaffte, wieder auf die Beine zu kommen, dann würde es ihr wahrscheinlich niemals gelingen.
    Der Kater musterte sie aus großen, grüngoldenen Augen. Es fühlte sich an, als könne er hinter die Fassade blicken und erkennen, was wirklich in Lena vorging.
    Einmal strich sie dem Tier noch übers Fell, dann stand sie auf und ging ins Bad, um zu duschen. Der kleine Raum war mit türkisblauen Fliesen ausgestattet, und als das Wasser aus dem Duschkopf auf sie niederprasselte, war ihr, als würde sie unter einem tropischen Wasserfall
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