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Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin

Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin

Titel: Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
Autoren: Stanislaw Belkowski
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kann sein infernalisches, hysterisches Schrillen fortsetzen, wird aber damit nur erreichen, dass die schweren russischen Traumgespinste weitergeträumt werden.
    Oft wurde Putin sowohl von Freunden als auch von Feinden mit Napoleon Bonaparte verglichen. Meiner Auffassung nach gibt es zwischen diesen beiden Führungspersonen, dem greisenhaften Hüter des Russischen Imperiums und dem Pionier einer europäischen Union, fast keine Gemeinsamkeiten. Bis auf eine.
    Napoleon war ein großer Entscheider. Er konnte die Brücke von Arcole betreten, wo ihn der sichere Tod durch eine österreichische Kugel erwartete, und aus den Händen des Papstes in der Kathedrale Notre-Dame in Paris die eigene Krone empfangen, um eine Sekunde später das Schicksal von Millionen von Menschen zu verändern, die zwischen dem Golf von Biskaya und der Baltischen Bucht beheimatet waren. Dieser kleinwüchsige Korse sagte völlig im Ernst, wobei er sich ein helles Tränchen von den schwarzen Wimpern wischte: »Nie habe ich eine eigene Entscheidung getroffen, immer war ich eine Geisel der Umstände.«
    Diese Worte würde Wladimir Putin wohl ohne jede Einschränkung unterschreiben.

Kapitel 1: Die Reise des Okkupanten
    Am 7. Mai 2012 geschah etwas gleichermaßen Erstaunliches wie Gewöhnliches – die Amtseinführung des Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin. Es war das dritte Mal seit dem Jahr 2000, dass WWP den Kreml-Thron bestieg.
    Eine Amtseinführung auf die erste Maiwoche zu legen, ist für das moderne Russland keine besonders gute Idee. Denn die Zeit zwischen dem 1. und dem 8. Mai ist in meinem Land traditionell ein »verlängertes Wochenende«, an dem alle wegfahren, um sich vom beschwerlichen russischen Alltag zu erholen – die einfachen Menschen in ihre Datscha, die Vertreter der Elite meist ins Ausland an warme Meere, wo man surfen oder sich einfach nur sonnen und Mojito trinken kann. Die einen verlassen Moskau in Vorortbahnen mit ihren zerschlagenen Scheiben und zerbrochenen Holzsitzen, die anderen mit dem eigenen Businessjet.
    Als Boris Jelzin am 31. Dezember 1999 vorzeitig in den Ruhestand ging, hatte er die Präsidentschaftswahlen für den 7. März 2000 ausrufen lassen. Außerdem sagt die Verfassung, dass die Amtseinführung des neuen Staatsoberhaupts am 30. Tag nach der offiziellen Verkündigung der Wahlergebnisse durch die Zentrale Wahlkommission der Russischen Föderation erfolgen muss, die wiederum einen Monat nach den Wahlen stattfindet. 1993, als das jetzige Grundgesetz geschrieben wurde, dachten Jelzins Juristen sich diese Vorschrift eigens für den Fall aus, dass der erste demokratisch gewählte Präsident die Wahl verlieren sollte: Man hätte dann Zeit gebraucht, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen und die Spuren zu verwischen, nötigenfalls auch einen militärischen Umsturz anzuzetteln, wozu der Liebling der progressiven Öffentlichkeit, Boris Jelzin, von Zeit zu Zeit geneigt war.
    Es ist also nicht möglich, einen neuen Präsidenten sofort nach der Niederlage seines Vorgängers in den Kreml zu lassen, solange »das Nest noch warm und der Vogel nah« ist. Und deswegen wird dem Präsidenten erst ganze zwei Monate nach der Wahl der Schwur abgenommen.
    Selbstverständlich mussten sich alle geladenen Vertreter der Elite am 7. Mai in Moskau einfinden. Nicht einmal diejenigen, die mit Linienflügen kommen mussten, verspäteten sich. Alle wussten, wie wichtig es ist, sich in Gesellschaft des Präsidenten zu zeigen, der erneut sein Amt antritt, und, falls es sich ergibt, von ihm gesehen zu werden. Da durfte man nicht fehlen! Das Protokoll und der Sicherheitsdienst des Präsidenten hätten es dem Staatsoberhaupt auf jeden Fall gemeldet, und keine Ausrede wäre akzeptiert worden.
    Zur Amtseinführung 2012 wurden fast zweitausend offizielle Gäste geladen. Darunter befanden sich gewohnheitsmäßig alle Abgeordneten beider Kammern des russischen Parlaments, Regierungsmitglieder und hochgestellte Mitarbeiter der Präsidentenadministration, die Richter der höchsten Gerichte, Vertreter der wichtigsten Konfessionen sowie die Vorsitzenden aller offiziellen Parteien einschließlich der parlamentarischen Opposition. (Die außerparlamentarische Opposition, die bei der Organisation von Großdemonstrationen gegen Putin mitwirkt, war natürlich nicht geladen.)
    Der Präsident hatte auch alle seine sogenannten Vertrauensleute eingeladen – Künstler, Wissenschaftler, Sportler und sonstige lokale Größen, die Putin bei seiner
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