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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld
Autoren: Matthias Sachau
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gescheffelt hätten, dass sie, wie sie es schon lange geplant hatten, gemeinsam eine Filmvertriebsfirma gründen könnten und ab dann ganz andere Steuertricks zur Verfügung hätten, würden wir uns heimlich, still und leise wieder scheiden lassen.
    Und weil ich Hochzeiten schon lange lediglich als bürgerliches Ritual betrachtete, das irgendwie viel zu hoch gehängt wird, und außerdem dachte, dass es vielleicht nicht schlecht wäre, wenn meine Vanessa zur Abwechslung auch mal auf mich eifersüchtig sein würde und nicht immer nur ich auf sie, hab ich einfach ja gesagt.
    Dass Bernd, Viktor und Kneipenwirt Udo hinter unserem Rücken eine Riesenparty rund um unsere Pseudohochzeit anzettelten, war natürlich ein starkes Stück. Als ob der Standesamttermin nicht schon peinlich genug gewesen wäre. Aber klar, dass ein Vollblut-Schauspieler wie Viktor sich keine Gelegenheit entgehen lässt, in die Pfarrerrolle zu schlüpfen, in der er im Stadttheater gerade überwältigende Erfolge feiert, obwohl es nur eine Nebenrolle ist, und auch klar, dass Karoline ihr bis dato aufwendigstes Brautkleid nur zu gerne mal an ihrer besten Freundin sehen wollte.
    Vielleicht sollte ich das alles nicht so eng sehen. Es war nur dieser eine Moment, als der Schleier…
    »Komm, Lulu, trink was.«
    Vanessa hat mich zur Bar geführt und flugs eine Lücke in Udos sauber aufgestellte Sektglasreihe gezaubert, während die anderen noch damit beschäftigt sind, Tische und Stühle wieder in die bewährte alte Ordnung zu bringen.
    Es ist schon ein Ding, aber ich mag es, wenn Vanessa »Lulu« zu mir sagt. In »Lulu« steckt unser ganzes gemeinsames Leben. Es ist ein Bekenntnis. Jedes Mal, wenn sie »Lulu« zu mir sagt, fühle ich das unzerstörbare Band zwischen uns, und das ist sehr wichtig, denn unsere Beziehung ist, nun ja, sagen wir, nicht immer einfach. Es fängt schon damit an, dass ich gar nicht richtig sagen kann, ob wir im Moment wirklich zusammen sind. Miteinander geschlafen haben wir in den ganzen Jahren seit unserer gemeinsamen Schulzeit genau neun Mal, das habe ich mitgezählt. Und richtig schön war es ehrlich gesagt nur einmal. Wie oft sie mit anderen Männern geschlafen hat, konnte ich dagegen nicht mitzählen, aber, da brauche ich mir nichts vorzumachen, es war sicher… etwas mehr.
    Schlimme Bilanz für eine so lange Zeit? Meine Freunde sagen »schlimmer als schlimm«. Ich dagegen sage »Das seht ihr aus dem falschen Blickwinkel«, denn das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen: Ein Mädchen wie sie, das mit ihrer dunkelbraunen Mähne, ihren wasserblauen Augen, ihrem Lächeln und ihrem 177-cm-Modelkörper jeden Mann sofort, egal ob er will oder nicht, verliebt macht und das jederzeit als sechstes Spice Girl anheuern könnte, gibt sich mit mir ab, einem Teilzeit-Herrenunterwäscheverkäufer, Brillenträger, 12-m 2 -Zimmerbewohner und, nicht zu vergessen, einem Mann, der dauernd Jazz hört, was mich im Männer-die-von-Frauen-begehrenswert-gefunden-werden-Ranking auf einen Platz irgendwo zwischen Pfeifensammlern und Müllsortierern abstürzen lässt. So ist das nämlich. Aber überall, wo ich mit Vanessa an der Seite auftauche, werde ich wie ein König behandelt, und das tut mir immer wieder sehr gut.
    »Herkommen zum Anstoßen!«
    Manchmal denke ich, Udo hätte als Feldwebel vielleicht eine noch steilere Karriere gemacht als als Kneipenwirt, aber andererseits sollte ich froh um ihn sein. Nicht, dass ich bis jetzt einen vorbildlichen Lebenslauf hingelegt hätte, bewahre, aber mit einem weniger autoritären Wirt hätte es auch noch ganz anders laufen können. Udo ist, nachdem er seine eigene, äußerst hoffnungsvolle Alkoholiker-Karriere in den Sand gesetzt hatte, Gründungsmitglied bei »Wirte mit Gewissen e.V.« geworden. Wenn er seine John-Wayne-Haltung einnimmt, einem angetüterten An-der-Bar-Sitzer mit Bruce-Willis-Blick in die Augen stiert und mit Terminator-Stimme »Schluss für heute« sagt, ist Schluss. Da kennt er keine Verwandten.
    »Auf die Liebe!«
    »Auf die Liebe!«
    »Auf die Liebe!«
    Klingklang, klingklang.
    Nein. Zu zynisch. Einfach alles ein Tick zu viel.
    Ich sehe nach Ines. Mit ihrem Brautkleid ist sie natürlich nicht schwer zu finden. Sie steht zwei Tische weiter und geht mit Bernd mitten im Partygetümmel seelenruhig ihre Planung für die nächsten Wochen durch. Man muss die beiden verstehen. Das ist sehr wichtig für sie. Bernd wohnt zwar nur zwei Straßen weiter, aber er reist für seinen Job
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