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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld
Autoren: Matthias Sachau
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Frühstückstisch sitze und die Zeitung aufschlage. Seit Ines die ganze Miete bezahlt, habe ich einen Deal mit Karstadt: halbes Gehalt, aber dafür nur noch Nachmittags- und Abendschichten für mich. Erstaunlich, wie offen die dafür waren.
    Und um das Glück perfekt zu machen, ist vor ein paar Monaten auch noch Vanessa in die leerstehende Erdgeschosswohnung in unserem Haus eingezogen. Das ist wunderbar für unsere Beziehung. Dass sie gleich zwei Tage nach ihrem Einzug auf ihrer Terrasse mit Fitnessstudio-Toni rumgeknutscht hat, und das, obwohl sie genau wusste, dass ich es von meinem Zimmer aus sehen kann, war natürlich ein doofer Zwischenfall, aber wir sind dabei, uns wieder zu versöhnen. Sie kommt jetzt ziemlich häufig in Bademantel und Plüschpantoffeln hoch und leistet mir beim Frühstück Gesellschaft. Sie muss nur aufpassen, dass sie den Bogen nicht überspannt. Ihr Chef hat neulich schon angedeutet, dass sie ihm etwas zu oft fehlt.
    Alleine frühstücken, so wie heute, ist aber auch prima. Da kann ich in Ruhe Thelonious Monk hören. Als ich das das letzte Mal in ihrem Beisein getan habe, hat sie, spontan wie sie ist, den CD-Player aus dem Fenster geworfen. Gut, das Ding war nicht viel wert, aber leider ist dabei auch die CD kaputtgegangen, und ich habe Monate gebraucht, bis ich Thelonious Alone in San Francisco noch mal bekommen habe. Ganz zu schweigen davon, dass der CD-Player die dicke Frau Kohlmeyer, die gerade ihren Müll rausgebracht hat, nur ganz knapp verfehlt hat.
    Ines ist da anders. Die hört wenigstens erst ein paar Takte zu, bevor sie, unauffällig in einem Nebensatz verpackt, fragt, ob wir das ausmachen können. Und wenn sie ganz entspannt ist, kann ich manchmal sogar ein bisschen Stan Getz im Hintergrund laufen lassen, ohne dass es sie stresst.
    Aber klar, bei Monk muss man sich schon erst mal ein wenig reinhören. Tada dumdidum… In letzter Zeit habe ich ab und zu überlegt, ob ich mir ein Klavier anschaffen soll. Nur um ein bisschen darauf rumzuklimpern. Zeit hätte ich ja. Vielleicht als gemeinsames Projekt mit Ines? Muss ich sie mal fragen. So ein bisschen Musik machen täte ihr sicher gut. Sie wirkt in letzter Zeit ziemlich abgespannt, und der Power-Yoga-Kurs scheint auch nicht viel zu bringen.
    So, ich muss los. Schnell noch den letzten Kaffee runtergekippt. Während meiner Katzenwäsche drehe ich Thelonious Monk so laut auf, dass ich ihn auch noch im Bad hören kann. Um die Zeit ist eh keiner im Haus, den das stört. Ich gurgele There’s Danger in Your Eyes, Cherie mit.
     
    * * *
     
    In der Straßenbahn habe ich immer noch There’s Danger in Your Eyes, Cherie im Kopf. Ich gurgele nicht mehr, sondern summe leise vor mich hin. So klingt selbst ein bizarres Lied wie dies einigermaßen harmlos, und ich falle zwischen den winterlichen Gestalten, die mit käsigen Gesichtern aus ihren dicken Daunen-, Woll- und Goretex-Kokons herausschielen, nicht weiter auf. Allerdings passt Gurgeln viel besser zu Monk als Summen. Könnte ich auch mal was drüber schreiben.
    Vorher muss nur diese Schicht geschafft werden. Vier Jahre ist es jetzt her, dass ich den Karstadt-Unterhosen-Job von Viktor übernommen habe. Der hatte sein Schauspielstudium damit finanziert und konnte nicht mehr weiterarbeiten, als er, gleich drei Tage nach seinem Abschluss, sein erstes Engagement beim Theater bekommen hat. Ein Crashkurs in Herrenunterwäschekunde plus Viktors gutes Zureden beim Abteilungsleiter haben gereicht und ich durfte anfangen. Damals war ich froh drum, weil ich finanziell am Abgrund stand, und Viktor und Ines freuten sich, weil ich endlich meine Mietschulden bei ihnen abstottern konnte.
    Zwei Jahre später war ich dann mit meinem Afrikanistik-Studium fertig, fand aber im Gegensatz zu Viktor keine Arbeit. Gut, vielleicht hätte ich eine gefunden, wenn ich den Herrenunterwäsche-Job nicht gehabt hätte, weil dann mehr Druck da gewesen wäre, aber das ist jetzt auch nur Spekulation. Ich frage mich nur manchmal, wie lange ich das noch machen soll. Ist ja auf Dauer auch keine Perspektive. Mein Problem ist, dass ich bis jetzt noch nie eine Stelle gekündigt habe. Ich habe immer so lange gearbeitet, bis ich rausgeschmissen wurde. Wenn, dann habe ich höchstens ein bisschen dafür getan, dass es etwas schneller ging. Aber immer nur ein bisschen.
    Vanessa ist da anders. Sie fliegt völlig mühelos aus jedem Job raus. Die Gründe sind ganz verschieden. Manchmal wirft sie aus Versehen wichtige Verträge aus dem
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