Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld
Autoren: Matthias Sachau
Vom Netzwerk:
Schoß sitzen und ihn küssen.
    Ihr Brautkleid ist wirklich ein Traum. Da hat Ines’ beste Freundin Karoline sich selbst übertroffen. Nächstes Wochenende wird das gute Stück von einer echten Braut auf einer echten Hochzeit getragen werden. Irgendeine Fernsehmoderatorin, die irgendeinen Musikproduzenten heiratet. Spätestens danach wird alles, was Rang und Namen hat, Karoline die Tür einrennen und um ihre Brautkleider betteln. Ein Glück, dass keiner etwas von diesem kleinen Testlauf hier weiß.
    Wenn jetzt jemand zufällig dazukommen würde, hätten wir natürlich große Mühe, ihm das Ganze zu erklären. Aber es hat schon alles seinen Sinn. Wirklich. Es fing damit an, dass Ines fertigstudiert hatte und auf einmal sehr viel verdiente. Es ging damit weiter, dass Ines bald noch mehr und dann noch mehr verdiente. Ich staunte, weil ich ehrlich gesagt immer gedacht hatte, sie würde, wenn überhaupt, dann Karriere als scharfzüngigste Kabarettistin der Republik machen. Aber anscheinend haben die großen Konzerne ihre Einstellungsprofile für Führungskräfte in den letzten Jahren gründlich überarbeitet.
    Der Job als Abteilungsleiterin in einem Medien-Multi war zwar von Anfang an anstrengend, aber dafür bekam sie so viel Geld, dass es gar kein Problem war, als unser früherer dritter Mitbewohner Viktor eines Tages bei uns auszog. Ines übernahm einfach sein Zimmer und seinen Mietanteil. Und weil sie die zusätzliche Fläche gar nicht für sich brauchte, nutzten wir es bald als Wohn- und Esszimmer für uns beide, was sehr praktisch ist, weil es eine direkte Verbindung zur Küche hat.
    Warum Ines nicht mit ihrem Freund Bernd zusammenzog oder sich wenigstens nach einem standesgemäßen Single-Loft umsah, wusste ich nie sicher. Ich vermute, es hängt damit zusammen, dass sie sich dann ein Haustier hätte anschaffen müssen, und das geht nicht, weil sie ausschließlich Katzen liebt, aber eine schlimme Katzenallergie hat. Solange sie hier wohnt, übernehme ich den Haustierpart, auch wenn ich, im Gegensatz zu einer Katze, mir mein Essen gerne selber koche und meine Streicheleinheiten woanders abhole. So weit, so gut.
    Eines Tages haben Ines und Bernd, der als Banker auch bestens verdient, dann zusammengezählt, wie viel Steuern sie zahlten, und bekamen einen Riesenschreck. Sie rechneten aus, ob es etwas bringen würde, wenn sie heirateten, und bekamen einen zweiten Riesenschreck. Es hätte nämlich gar nichts gebracht. Steuerlich betrachtet hätte es nur Sinn ergeben, wenn einer von ihnen viel weniger verdiente als der andere. Ich kann mich noch genau erinnern, wie sie im Wohnzimmer mit Taschenrechnern bewaffnet über ihren Ratgebern brüteten und jedes zweite Wort »Ehegattensplitting« lautete. Ich saß daneben im Sessel, guckte Dr. House und, vermutlich weil ich schon beim dritten Bier war, murmelte ich, von Hugh Lauries Sprüchen inspiriert: »Da hast du den mathematischen Beweis, Ines, du solltest lieber mich heiraten.«
    Finanzfachlich betrachtet hatte ich recht. Ich bin Teilzeit-Herrenunterwäscheverkäufer bei Karstadt. Ein größeres Gehaltsgefälle als zwischen Ines und mir konnte es gar nicht geben. Trotzdem war es natürlich nur ein Witz. Aber Ines und Bernd sahen spaßeshalber noch mal auf die Ehegattensplittingtabelle und begannen zu rechnen. Dann hörten sie schnell auf zu lachen, und Ines machte mir spontan einen Heiratsantrag. Das war nichts Ungewöhnliches für jemanden, der Ines’ Humor kennt, aber Bernd guckte gleich so sauer, dass sie schnell abwinkte und wir das Thema wechselten.
    Eine Woche später war es dann allerdings Bernd, der noch mal mit der Idee von der Steuer-Scheinhochzeit anfing. Er hatte einen neuen Kollegen mit dem schönen Namen Fridolin von Freggelhofen. Der hatte ihm anvertraut, dass er schwul sei, aber trotzdem schon seit Jahren aus Geldgründen zum Schein mit einer Neubauviertel-Prollette und Discounter-Kassiererin namens Mandy Pilske verheiratet sei. Natürlich haben sie in Wirklichkeit weder was miteinander, geschweige denn wohnen sie zusammen.
    Im Vergleich zu Fridolin und Mandy war eine Scheinehe für Ines und mich ein viel kleinerer Schritt, denn wir hatten ja tatsächlich ein gemeinsames Heim. Ines würde jedes Jahr in fünfstelliger Höhe Steuern sparen und als Gegenleistung die Kosten für unsere ganze Wohnung plus Telefon, Internet und als Bonus wöchentlich eine Kiste Bier einer Marke meiner Wahl übernehmen. Und wenn sie und Bernd in ein paar Jahren so viel Geld
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher