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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld
Autoren: Matthias Sachau
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Blocks.
    Vanessa hat mich seit meiner Xavier-Naidoo-Verschmähung kaum noch eines Blickes gewürdigt. Kindisch. Ich ärgere mich. Aber okay. Verbringe ich halt die erste Hochzeitsnacht meines Lebens alleine. Na und? In solchen Nächten kann man wenigstens mal gründlich über sein Leben nachdenken.
    Und ich fange gleich damit an. Was zur Hölle soll das eigentlich sein mit Vanessa und mir? Eine Beziehung? Ha! Ich sollte den Tatsachen einfach ins Gesicht sehen: Sie ist eine gewiefte Verführerin, ich bin süchtig nach ihr, und ihr gefällt das. Sie macht mit mir, was sie will, und probiert dauernd aus, wie weit sie es mit dem Demütigen und Vernachlässigen treiben kann. Und kurz bevor es knack macht, schmeißt sie mir schnell ein paar Zuckerstückchen hin, damit ich wieder ihr braves Hündchen werde. Eine traurige Endlosschleife ist das, nichts weiter. Schluss damit. Wir passen sowieso nicht zusammen. Ich muss…
    Jemand zupft mich am Ärmel.
    »Schöner Mann?«
    »Vanessa? Ich dachte…«
     
    * * *
     
    Vanessa hat schon viele Wohnungen bewohnt, und ich habe jede einzelne von ihnen geliebt. Ganz besonders natürlich ihre Schlafzimmer. Sie hat nicht viel, aber sie schafft es, aus dem Wenigen genau die Liebeshöhle zu bauen, die perfekt zu ihr passt. Wände burgunderfarben gestrichen, Matratze auf dem Boden, dunkle Bezüge und Laken, leichte Stoffe drum herum gehängt, ein großer Spiegel in der Ecke und ein paar geschickt versteckte Lämpchen, die niemals auch nur ein bisschen zu viel Licht verstrahlen.
    »Sag mal, Vanessa, was ist das für ein Schreiben hier auf dem Boden?«
    »Lass doch einfach liegen, Lulu.«
    »Aber… sie haben dir die Wohnung gekündigt!«
    »Mir gefällts hier eh nicht mehr. Ich brauch was mit Balkon. Komm, zieh das endlich aus.«
    Na gut. Oder, besser gesagt, nichts lieber als das. Erstens ist Frack nichts für mich, zweitens…
    »Macht dir hoffentlich nichts aus, dass ich kein Brautkleid anhabe, Lulu?«
    Dieses Lächeln. Eigentlich bräuchte sie dafür einen Waffenschein.
    »Wieso?«
    »Na komm, die süße kleine Ines im Brautkleid…«
    Sie kriegt aber auch alles mit.
    »Nein, das war nur…«
    »Schhhh.«
    Sie dreht sich um und deutet auf den winzigen Reißverschlusszipper, der die Rückseite ihres anthrazitfarbenen Satinkleids zusammenhält, das so perfekt zu ihrer das ganze Jahr über urlaubsbraunen Haut passt. Wann waren wir das letzte Mal so weit? Mit jedem Reißverschluss-Zahnpaar, das sich aufhakt, geht mein Puls weiter nach oben. Vanessa spricht über ihre Schulter mit mir.
    »Weißt du, bei einer Hochzeit soll keine Frau schöner sein als die Braut.«
    Ab jetzt spreche ich ferngesteuert.
    »Aber für mich bist du immer die Schönste.«
    Ich sehe sie über den großen Spiegel in der Zimmerecke lächeln.
    »Ich weiß.«
    Das Kleid fällt in Zeitlupe zu Boden. Diesmal wird es wunderschön, denke ich und schließe die Augen, während Vanessa mein Frackhemd langsam von oben nach unten aufknöpft.
     
    * * *
     
    Es ist wie immer. Vanessa sitzt auf mir und ihre Schenkel drücken mich von rechts und links, als wäre ich ein Rennsattel. Ihre Hüften hämmern auf mich ein, als müsste sie einen Frequenzrekord brechen, und ihr ganzer Körper bewegt sich wie die Pleuelstange einer rasenden Dampflok. Selbst ihre Brüste, die neulich ein Betrunkener im Blaubarts Eck stammelnd mit »Schade, dass Beton nicht brennt« kommentiert hatte, müssen vor diesem Gewaltakt kapitulieren. Sie verhalten sich so, wie es Elektronen tun, wenn sie um ein Atom herumschwirren: Man weiß nie genau, wo sie gerade sind.
    Ihr Gesicht sehe ich nicht, weil sie sich weit zurückgelehnt hat. Ab und zu kommt ihr Kopf nach vorne geschossen. Ihre Haare peitschen mir um die Wangen, aber bevor ich ihre Augen sehen kann, reißt sie sich wieder nach hinten. Ich höre nichts von ihr. Keine Schreie, keine Seufzer, nichts. Falls sie überhaupt etwas von sich gibt, dann geht es im tosenden Maschinengeräusch unter.
    Ich habe keine Chance, irgendwie mitzumachen. Und, auch wenn ich es mir noch so sehr vornehme, ich weiß genau, dass ich nicht mehr lange… oh, oh, oh… ja.
    Warum macht sie das immer? Will sie etwas klarstellen? Will sie mich sogar beim Sex demütigen? Wird das nie anders?
    Sie guckt mich an.
    »Ups.«
    »Tschuldigung.«

Zwei Steuererklärungen später
     
    Meine Ehe ist wirklich großartig. Das denke ich auch heute immer noch als Erstes, wenn ich gegen ein Uhr mittags allein im Schlafanzug an meinem üppigen
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