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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld
Autoren: Matthias Sachau
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dauernd um die Welt, und Ines ist auch oft unterwegs. Wenn sie sich sehen wollen, müssen sie tatsächlich einen Termin machen. Sie führen de facto eine Fernbeziehung.
    Als unsere Blicke sich treffen, steckt Ines ihre Nase schnell wieder in Bernds Smartphone. Ich stelle den Bräutigamzylinder auf die Bar, kippe den Sekt in einem Zug herunter, verschlucke mich und lasse mir auf die Schulter klopfen. Als ich die Augen wieder auf habe, macht der Hut bereits die Runde über die verschiedenen Männer- und Frauenköpfe, wie ein frisch gewonnener Fußballpokal. Zuletzt probieren ihn Fridolin, Mandy und Mandys solariumsgegerbter Freund Greg auf, unsere Steuerschummel-Hochzeitsvorbilder, die natürlich als Ehrengäste eingeladen wurden. Wirklich eine seltsame Versammlung, die drei. Ein Snob, der sich zur Feier des Tages ein Monokel ins Auge geklemmt hat, zusammen mit einem Paar, dem man allein an seinen Frisuren ansieht, dass es alle Scooter-CDs chronologisch geordnet in einem pinkfarbenen CD-Ständer neben der weißen Ledercouch im Wohnzimmer stehen hat.
    Ich muss dringend noch was trinken, aber Udo dreht mir gerade seine Halbglatze zu, um den Lautstärkeregler der in Ehren versifften Kneipen-Stereoanlage um 90 Grad nach rechts zu drehen. Das wirkt sofort. Noch bevor er sich wieder umdreht, ist die Tanzfläche voll.
     
    * * *
     
    »Kannst du die mal auflegen?«
    Udo sieht mich misstrauisch an.
    »Bestimmt wieder Jazz?«
    »Na ja, kind of. Aber tanzbar. Echt.«
    Wieder dieser Blick.
    Leider hat er recht. Schon nach zwei Stücken ist die Tanzfläche leer. Komisch. Ich hätte schwören können, dass die Leute auf Mercy , Mercy, Mercy tanzen würden.
    »Macht nichts, Lukas. Die müssen sich zwischendrin auch mal wieder beruhigen. Und so als Hintergrund gefällts mir sogar fast ganz gut.«
    »Hm?«
    »Als Hintergrund gefällts mir fast ganz gut!«
    »Hör mal, Udo, jetzt kommt das E-Piano-Solo von Joe Zawinul… Da, jetzt. Dadudadamm, da da damm… Großartig, oder? Diese Mischung aus Einfachheit und Raffinesse.«
    »Hm?«
    »Das musst du dir mal vorstellen, da ist in den fünfziger Jahren ein kleiner österreichischer Bauernjunge mit ein paar Dollars in der Tasche nach New York gefahren, und ein paar Monate später wollte ihn Miles Davis in seiner Band haben. Verstehst du? Miles Davis wollte einen kleinen weißen Österreicher als Pianist. Das war ein Wunder! Aber der konnte es halt einfach. Hör mal… Äh, Udo?«
    Der Ignorant schenkt einfach weiter aus, obwohl Zawinuls Solo noch nicht fertig ist. Immer das Gleiche. Ich hätte gerne mal einen Freund, nur einen einzigen, der was von Musik versteht.
    »Luuukas, ich hab Freikarten für Xavier Naidoo am Freitag. Magst mitkommen?«
    Fitnessstudio-Toni. Der blonde Modellathlet, der früher ehrenamtlich die Uni-Volleyballgruppe betreut hat, in der Vanessa, Viktor und ich auf Ines, Karoline, Bernd und Viktors jetzige Freundin Annemarie getroffen sind. Ich verdanke Toni unglaubliche Fertigkeiten. Ich kann, wenn es sein muss, einen ganzen Nachmittag lang Schmetterbälle abwehren, ohne mir auch nur einen halben Finger zu verstauchen. Für einen, der früher allein schon vom Anblick eines Volleyballs höllische Schmerzen bekam, ein Riesenfortschritt. Zu schade, dass Toni vor einem Jahr unbedingt dieses blöde Fitnessstudio eröffnen musste. Erstens war das der Tod der Volleyballgruppe, zweitens wird es früher oder später sein finanzieller Ruin sein. Inzwischen verbringen einige von uns mehr Zeit beim Schwitzen in Tonis langweiligem Vital-Kompakt-Kurs als hier im Blaubarts Eck, nur damit wenigstens ein paar Euro in seiner Kasse klingeln. In der Angelegenheit sollte Udo mal ein Machtwort sprechen, finde ich.
    »Das sind Karten, mit denen man sogar in den VIP-Bereich reinkommt. Ich hab einen neuen Kunden im Spinning-Kurs, der wo in einer Eventagentur arbeitet. Der kriegt so was immer nachgeschmissen.«
    »Danke, Toni, aber Freitag bin ich sozusagen schon doppelt verplant.«
    »Ich würde mitkommen.«
    Vanessa, jetzt enttäuschst du mich einmal mehr abgrundtief.
    »Also, ich könnt den Kunden, der wo in der Eventagentur arbeitet, fragen, ob er noch eine Karte…«
    Genau das ist Tonis Problem. Er ist viel zu gutmütig, um ein erfolgreicher Unternehmer zu sein. Und er ist selbst dann gutmütig, wenn es überhaupt nicht gefragt ist.
    »Oder ich bleib daheim und ihr zwei geht.«
    »Oooch, Lulu, komm doch mit.«
    »Also Vanessa, Xavier Naidoo ist jetzt wirklich nicht… Solltest du
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