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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld
Autoren: Matthias Sachau
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You Needn’t vor mich hin. Das ist nicht so leicht, wenn man kein Zahnputzwasser im Mund hat, aber ich habe inzwischen eine Technik entwickelt, mit der…
    »Autsch!«
    Was auch immer es war, gegen das ich da gerade gerannt bin, ich kann froh sein, dass es mit vielen Lagen Luftpolsterfolie umwickelt war. So habe ich mich nur ein wenig beim Gurgeln verschluckt, und meine eben noch kalte Nase ist auf einmal wieder durchblutet. Ich trete einen Schritt zurück. Die Kiste ist riesig. Kaum zu glauben, dass ich die nicht gesehen habe.
    »Oh, das tut mir leid, sind Sie verletzt?«
    Also eine Möbelpackerstimme war das nicht gerade. Und aussehen tut der Mann auch ganz anders.
    »Na ja, geht schon… Muss denn das hier ausgerechnet vor dem Eingang stehen?«
    »Entschuldigung vielmals. Ich ziehe gerade ein.«
    »Verstehe.«
    Also wirklich. Frisur wie ein Ministrant, Brille wie ein Buchhalter, Körper wie Stan Laurel, Lächeln wie Jerry Lewis und niedliche braune Knopfaugen wie ein Kaninchen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie dieses Menschlein dieses beeindruckende Kartonchaos in unserem Entrée angerichtet haben kann.
    »Gestatten, Ekkehart Stöckelein-Grummler.«
    Ekkehart Stöckelein-Grummler. Doch, ja, er hat wirklich »Ekkehart Stöckelein-Grummler« gesagt. Und, der Clou, es passt perfekt zu ihm.
    »Hm, und Sie wohnen auch hier?«
    »Oh, tschuldigung, war gerade in Gedanken… Fink heiße ich. Lukas Fink.«
    »Nun ja, das ist etwas kürzer, hihi. Schön, dass wir uns gleich kennenlernen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    Nein, ich helfe dir nicht die Riesenkiste hochzutragen. Da kannst du noch so lieb mit deinen Kaninchenaugen blinzeln. Das ist was für Profis. Ich geh jetzt.
    »Gut, Herr Fink, dann sehe ich mal zu, dass ich das hier…«
    Dieser verzagte Blick. Als hätte das Kaninchen gerade erfahren, dass es in drei Tagen einen Autobahntunnel durch die Kitzbühler Alpen graben muss. Hat sich der Kleine denn keine Umzugshelfer organisiert?
    »Was ist in der großen Kiste eigentlich drin, wenn ich fragen darf?«
    »Eine Hifi-Box.«
    »Eine Hifi-Box?«
    »Ja, die andere ist noch im Wagen.«
    Und ich hatte gedacht, das wäre mindestens die Kühl-Gefrier-Kombi. Hm, wenn das so ist. Hifi-Boxen bestehen zu 90 Prozent aus Luft. Und man soll sich ja Freunde machen, wo man kann. Vor allem falls er, wie ich vermute, in die leere Wohnung direkt unter uns einzieht.
    »Soll ich Ihnen vielleicht mit der Kiste helfen?«
    »Oh, das würden Sie tun?«
    »Na klar.«
    »Großartig. Mein Freund Karlchen, der mir beim Einladen geholfen hat, hat nämlich Rückenbeschwerden bekommen und musste zum Arzt.«
    Wenn der genauso einen Körperbau hat wie du, dann wundert mich das gar nicht.
    »Also dann?«
    »Auf los gehts los.«
    »Eins, zwei, drei…«
    »Hrrrgn… verflixt, sind da Steine in Ihrer Hifi-Box drin… hrrrgn… oder was?«
    »Hrrrgn… da sind keine Steine drin… hrrrgn… die ist aus Stein.«
    »Hrrrgn… wie bitte?«
    »Hrrrgn… aus Stein. Aus Nero-Assoluto-Granit… hrrrgn… um genau zu sein.«
    »Hrrrgn… kurz mal absetzen?«
    »Hrrrgn… gerne.«
    »Puh.«
    »Dabei habe ich die Mittel- und Hochtöner extra für den Transport abgebaut. Ein Jammer. Muss ich nachher alles wieder neu zusammenlöten.«
    »Aha.«
    »Ich habe ja schon damals, als ich die Boxen neu bekommen habe, die ganze Elektronik auseinander- und neu zusammengelötet.«
    »Wieso das denn?«
    »Ich traue den Herstellern nicht. Kommt immer wieder mal vor, dass da einer nicht sauber lötet. Das macht sich dann sofort im Klang bemerkbar. Ich hatte mal einen Freund, der hat zehn Jahre gespart, um sich eine Burmester-Endstufe zu kaufen. 30000 Euro. Und stellen Sie sich vor, er hat sie aufgeschraubt, und wenn man genau hingeschaut hat, waren zwei Widerstände bisschen schief zu…«
    »Wollen wir weiter?«
    »Gut.«
    »Hrrrgn… in welchen Stock müssen wir eigentlich?«
    »Hrrrgn… in den dritten… hrrrgn… wieso?«
    »Hrrrgn… hab ich befürchtet.«
    »Hrrrgn… was war das eigentlich für ein Lied, das Sie da vorhin, ähm, gegurgelt haben?«
    »Hrrrgn… das war Well, You Needn’t.«
    »Hrrrgn… kenne ich irgendwoher.«
    »Hrrrgn… echt jetzt?«
    »Hrrrgn… ja. Noch mal absetzen?«
    Wir sind kaum höher als der erste Stock, aber uns beiden läuft schon der Schweiß in Strömen über den Körper.
    »Sie kennen wirklich Well, You Needn’t?«
    »Ja, doch, ich bin ganz sicher. Woher nur…?«
    Ich werde künftig mit jemandem, der Well, You Needn’t
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