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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden
Autoren: Carlos Salem
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nach Brasilien, dann weiter nach Peru und vielleicht noch nach Buenos Aires. Ich habe schon die Tickets besorgt. Für uns fünf. Der Richter und meine Ex haben sich eine Hochzeitsreise verdient, und ich kann so mit den Kindern zusammen sein und für Beltrán gleichzeitig Bodyguard spielen. Er ist ein anständiger Kerl, der mit Leticia wunderbar klarkommt, und ich werde nicht zulassen, dass sie ihn im Urlaub umlegen.
    Mehr habe ich hier auf der Insel nicht zu tun. Nur in aller Ruhe den einen oder anderen Cocktail trinken, so wie jetzt, und warten.
    Warten, bis irgendwann ein Auto angefahren kommt, aus dem mein Mörder steigt oder jemand, der mir meine allerletzte Frage beantworten wird.
    Bis zum Schluss werde ich nicht wissen, welche der beiden Möglichkeiten das Schicksal mir zugedacht hat, denke ich gerade, als ein Taxi vor der Terrasse des Hotels hält, fast neben meinem Tisch.
    Ich rühre mich nicht.
    Ein dunkelhäutiger Typ steigt aus und kommt, ohne zu zögern, auf mich zu, spricht mich mit dem Decknamen an, den ich hier benutze, und fordert mich auf, in den Wagen zu steigen.
    Während der Fahrt wechseln wir kein Wort. Wozu auch, wie’s kommt, so kommt’s. Vor einer netten, unauffälligen Villa setzt er mich schließlich wortlos ab und fährt davon.
    Ich gehe einen Schotterpfad entlang, der um das Haus herum zu einem Pool führt.
    Dort werde ich erwartet.
    Doch nicht von einer Bande von Killern.
    Nur von einem einzigen.
    Dem allerbesten.
    Mit strenger Miene sieht er mir entgegen. Seine Wiedersehensfreude kann er dennoch nicht verbergen. Plötzlich muss er husten, worauf wie aus dem Nichts eine dunkelhäutige Krankenschwester im Minirock auftaucht und ihm eine Arznei verabreicht. Mit einem Klaps auf den Po schickt er sie wieder weg.
    »Du bist echt nicht der Schnellste, mein Junge. Ich war die Warterei schon langsam leid.«
    Im selben Moment erscheint ein anderes, ebenfalls leicht bekleidetes Mädchen mit einem Servierwagen, auf dem eine Flasche Rum und noch ein paar andere Getränke stehen. Die ehemalige Nummer Drei mixt uns einen Drink, und wir stoßen an. Er nippt nur an dem Glas, auch wenn er noch immer den Eindruck macht, als könne er eine Menge vertragen.
    »Du hättest mich ruhig einweihen können, statt zuzulassen, dass ich dich umbringe«, sage ich endlich.
    »Mann, ich musste doch dafür sorgen, dass sie mir auf den Leim gehen. Und ich konnte sie nur täuschen, wenn du den Job erledigst; bei jedem anderen hätte ich die Kugeln nicht durch Platzpatronen ersetzen können, der hätte sich nämlich vergewissert, dass ich wirklich abgekratzt bin. Außerdem muss jeder aus eigener Kraft aus dem Sumpf herausfinden, mein Junge. Wie du das anstellst, war deine Sache, ich konnte dir nur die Flügel dafür leihen. Und über die kannst du nun wirklich nicht meckern, Yolanda ist schließlich allererste Sahne.«
    Verlegen wechsele ich schnell das Thema.
    »Wusstest du, dass hinter allem Capitán gesteckt hat, der sich an mir rächen wollte?«
    »Ja. Er hat mir schon vor Jahren ein Sümmchen geboten, damit ich dich umlege. Nicht viel, der einäugige Fettwanst war nämlich ein Geizkragen. Beim zweiten Mal hat er es deshalb mit etwas versucht, das mich sehr wohl interessiert hat: Information. Ich habe in den letzten Monaten viel Zeitung gelesen, mein Junge. Wir haben der FIRMA wirklich ordentlich an die Karre gepinkelt! Der Deal war, dass er mir diese ganze Scheiße besorgen würde, mit der ich meinen Ausstieg absichern konnte, wenn ich dich dafür umlege. Aber ich hatte eine bessere Idee. Und die war genial, findest du nicht?«
    Abermals schüttelt ihn ein Hustenanfall.
    »Wie viel Zeit bleibt dir noch?«, frage ich, kaum ist seine junge Krankenschwester mit dem Aerosolspray verschwunden.
    »Ein paar Monate. Wenn überhaupt. Das Klima, der Rum und die Frauen hier sind ja echt spitze, aber die Ärzte machen allesamt den Eindruck, als hätten sie nicht viel Ahnung. Von Autos verstehen sie sicher mehr.«
    »Weiß sie Bescheid?«
    »Glaubst du, man könnte dieser Frau irgendwas verheimlichen? Ihr kannst du nichts vormachen …«
    »Und wie hast du es geschafft, sie rechtzeitig auf den Campingplatz einzuschleusen?«
    »Der Dicke wusste, dass mein Tod fingiert war, und hat mich informiert, wann und wo das Ganze steigen soll. Er hat ja immer noch geglaubt, dass ich mich an unsere Abmachung halte. So konnte ich ihm leicht den Bären aufbinden: Wenn der von der FIRMA beauftragte Killer es nicht schaffte, dich zu beseitigen,
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