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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden
Autoren: Carlos Salem
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vielleicht ein paar Drinks mit Camilleri. Während wir aufs Restaurant zusteuern, lege ich ihm den Arm um die Schulter.
    »Wissen Sie was, Professor? Ich denke, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.«
    »Diesen Satz habe ich irgendwo schon mal gehört, mein lieber Freund. Aber nach dem heute Nacht bezweifle ich sehr, dass sie uns wegen so einem simplen Plagiat töten wollten.«
     

Epilog
     
    Als der Himmel sich auftat
    landete in meinem Schoß etwas
    Wabbeliges wie eine Chipstüte.
    Darin ein Rubbellos und darin
    »Try it again«.
    Und genau das werde ich jetzt tun.
     
    Víctor Sierra Matute, ›Mein Schicksal in einer Chipstüte‹
     
    Ich erreichte Madrid gegen Morgen, als der wenige sommerliche Verkehr gerade die Straßen zu beleben begann, und fuhr zu der Wohnung, die ich seit ein paar Jahren unter falschem Namen gemietet hatte und von der die FIRMA nichts wusste. Dort duschte ich, verband meine Wunden, schlief die dreieinhalb Stunden, die ich mir gerade noch erlauben konnte, und packte dann Waffen, Pässe, Kleidung und alles, was ich brauchte, um ein halbes Dutzend Mal mein Aussehen zu ändern, in eine Sporttasche.
    Obwohl es noch relativ früh war, herrschte unten auf der Straße schon eine Bullenhitze. Yolanda kam mir in den Sinn: Bei Hitze würde ich immer an sie denken. Aber natürlich auch bei Kälte und überhaupt bei jedem Wetter.
    Doch heute blieb keine Zeit dafür, und so schüttelte ich den Kopf, um die Gedanken an sie zu verscheuchen, und fuhr dann mit der U-Bahn zur Gran Vía. Ohne die Schaufenster eines Blickes zu würdigen, in denen sich der neueste Bestseller stapelte, dessen reißerischer Titel nach purem Marketing klang, betrat ich die riesige Buchhandlung und ging zu den Tischen mit den Neuerscheinungen, deren Umschläge darum wetteiferten, potentielle Leser anzuziehen, Ich rächte mich für so viel Werbeaufwand, indem ich mich für ein unscheinbares Buch mit dem Titel › Camino de ida‹ entschied, das Romandebüt eines gewissen Carlos Salem, der dem Klappentext zufolge schon alle möglichen Jobs hatte und ein ziemlicher Spinner sein musste. Wenigstens war der Typ kein Schauspieler, TV-Moderator oder Politiker, der sich zum Romancier berufen glaubte, und auch keine Yellow-Press-Barbie, deren Memoiren davon kündeten, welchen VIPs sie schon einen geblasen hatte, so, als wären das große Heldentaten. Salems Roman hatte das richtige Format für den wattierten Umschlag, den ich mit meiner eigenen Adresse und einem erfundenen Absender versah und dann einem Kurierdienst anvertraute, der ihn innerhalb der nächsten zwei Stunden zustellen wollte. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass mir niemand folgte, stieg ich in ein Taxi und gab dem Taxifahrer die Adresse einer Cafeteria am Ende der Straße, in der mein Singleapartment lag. Obwohl ich in dem Lokal schon bald seit zwei Jahren frühstückte, erkannte der Kellner in mir nicht den Stammkunden aus dem Wohnblock gegenüber, der seinen Kaffee immer ohne Zucker trank: Meine Verkleidung war aber auch zu gut und vor allem nagelneu, ich hatte sie noch nie für eine Mission der FIRMA benutzt. Ich setzte mich an einen Tisch am Fenster, und während ich auf den Paketboten wartete und meinen Hauseingang nicht aus den Augen ließ, musste ich wieder an mein Gespräch mit Professor Camilleri am Abend zuvor denken.
    Während wir uns das Essen schmecken ließen und den Wein mit der Langsamkeit des bevorstehenden Abschieds tranken, plauderten wir über Bücher, die Kunst und die Frauen und kamen so schließlich auch auf Yolanda zu sprechen.
    »Ein wirklich schönes Gemälde, diese junge Frau, mein lieber Juan.« Der Professor sah mich schmunzelnd an. »Aber ich glaube, das habe ich Ihnen bereits gesagt.«
    »Ja, ein schönes Gemälde, auf dem ich allerdings keinen einzigen Pinselstrich mehr setzen kann, Professor. Wir haben uns vor ein paar Stunden Lebewohl gesagt. Für immer.«
    »Hatte sie denn etwas damit …?«
    »Nein«, sagte ich. »Sie war nur eine Sommerliebe, die durch Zufall in diese unselige Geschichte verwickelt worden ist. So wie Sie.«
    Wir stießen auf sie an, wonach Camilleri mit seiner Besorgnis nicht mehr länger hinter dem Berg halten konnte.
    »Heute Nacht haben wir Glück gehabt, Juan. Aber die Hintermänner werden sich gewiss nicht so leicht geschlagen geben. Werden Sie ihnen geben, was sie wollten, jetzt wo Ihre Kinder in Sicherheit sind?«
    »Ich weiß es nicht, Professor, ich weiß es wirklich nicht.«
    »Das wäre
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