Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir Tiere: Roman (German Edition)

Wir Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Wir Tiere: Roman (German Edition)
Autoren: Justin Torres
Vom Netzwerk:
dass wir es gewesen waren, die gerade die Scheibe von dem alten Campingwagen eingeschmissen hatten – das war ziemlich offensichtlich –, und es lag ein komischer spöttischer Ton in seiner Stimme. Der Headbanger hatte in letzter Zeit ziemlich um uns herumgeschnüffelt, hatte versucht, mit uns herumzuwitzeln; wir wussten nicht, warum; vielleicht nur, weil wir die Einzigen ungefähr in seinem Alter waren, die noch lange nach dem Abendessen draußen sein durften, vielleicht auch etwas Fieseres. Er kam aus dem Norden, behauptete er, aus Texas, aus Kalifornien. Weißblonde Haare fielen ihm lang und strähnig den Rücken hinunter, waren aber an den Seiten und vorn kurz geschnitten. Ständig zerrte er an seinem Schritt herum und erzählte so viele Lügen, wie er nur in einen Satz hineinpacken konnte. Diese Art Jungs trieben sich ständig in unserer Nähe herum, aber meist hielten wir uns fern von ihnen, wir drei Mischlingsbrüder in unserer Welt, der weiße Abschaum in seiner. Wir waren vor ihnen gewarnt worden und sie vor uns, außerdem brauchten wir sie nicht; wir hatten uns zum Spielen und Jagen und Plündern. Wir waren immer eng zusammen; Manny vorneweg stellte die Regeln auf, Joel brach sie alle, und ich versuchte mit aller Kraft, den Frieden zu wahren, was manchmal nur bedeutete, dass ich auf die Knie ging und meinen Kopf mit den Armen schützte und sie sich prügeln und beschimpfen ließ, bis sie müde oder gelangweilt oder reumütig waren. Sie schimpften mich Schwuchtel, Pest, schlugen mich grün und blau, aber mit mir gingen sie sanfter um als mit sich selbst. Und alle in der Nachbarschaft wussten: Sie würden ihr Blut für mich lassen, meine Brüder, hatten sie schon getan.
    Und dann tauchte dieser Headbanger auf mit seinem »Hi, Jungs« und riss uns auseinander, weitete aus, was vorher eng gewesen war.
    Dabei war er noch nicht mal aus unserem Block, sondern kam nur mit einer Hand in der Hosentasche die Straße entlanggeschlendert und zog an seinem Schritt. »›Hi, Jungs‹, hab ich gesagt, könnt ihr nicht reden?«
    Und Manny: »Was willst du?«
    Und Joel: »Ja, was willst du überhaupt?«
    Und dieser Headbanger: »Ich will euch was zeigen. Ich hab da was Tolles zum Zeigen und keinen, dem ich’s zeigen kann.«
    »Meinst du schwarze Magie?«, fragte Joel.
    »Halt die Schnauze, Joel«, sagte Manny.
    Ich wartete darauf, dass Manny dem Headbanger sagte, dass er sich schleunigst von unserem Baum davonmachen solle, aus unserem Block verschwinden; ich wartete darauf, dass Manny sich wieder an uns wandte, dem Headbanger den Rücken zukehrte, ihn einen Clown nannte, dann sagte: »Okay, heute Nacht machen wir Folgendes, hört ihr zu?«
    Aber Manny drehte sich nicht um.
    »Was hast du denn?«, fragte er den Headbanger.
    »Ja«, wollte auch Joel wissen, »was hast du überhaupt?«
    Der Headbanger stand auf, knipste die Taschenlampe an und sagte: »Kommt mit.«
    Wir folgten ihm auf die Straße, und er hob die Taschenlampe wie vorhin hoch über unseren Kreidekreis, sodass er ganz erhellt wurde.
    »Wisst ihr, was das bedeutet?«
    Es gab Grillen und die Lichter in den Fenstern all der Häuser. Uns war kalt. Ich steckte den Daumen in den Mund und schmeckte Erde.
    »Peace«, sagte der Headbanger, »das da ist ein Peace-Zeichen.«
    Manny lachte, ein wissendes Schnauben durch die Nase, dann legte er den Kopf in den Nacken, hob den Blick vom Pflaster zum Himmel, direkt in Gottes Auge. In letzter Zeit schaute Manny hinaus, hinauf, in alles und jedes, nicht nur zu uns.
    Und dann sagte der Headbanger: »Ich zeig euch noch was. Was Gutes. Besseres.«
    »Isses wahr?«, sagte Manny.
    Also folgten wir dem Kerl nach Hause.
    Der Vater des Headbangers saß im vorderen Zimmer und rauchte, war vom Schein des Fernsehers ganz in Blau gehüllt, und eine Hand steckte in der Achselhöhle.
    »Wissen die, wie spät es ist?«, fragte er den Headbanger, als wir das Haus betraten und am Fernseher vorbeikamen, sodass unsere Schatten über ihn fielen.
    »Ja, wissen die.«
    In der Küche fuhr ich mit den Händen über den Tisch, der glatt war und lackiert und kühl. Der Headbanger stellte Plastikbecher mit Limo vor uns, und Manny und Joel tranken zu schnell, schnappten zwischen den Schlucken nach Luft, was mich ganz nervös machte. Der Vater schaltete den Fernseher aus, und der Krach der Grillen breitete sich aus. Der Headbanger blinzelte und lauschte, nicht nach den Grillen, sondern nach dem Vater, nach seinem nächsten Schritt. Wir kannten dieses
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher