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Wir Tiere: Roman (German Edition)

Wir Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Wir Tiere: Roman (German Edition)
Autoren: Justin Torres
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Namen des Vaters.
    »Wir machen ihn fein«, ruft der Vater.
    Schaut, wie sie mit einem Stapel zusammengelegter Wäsche eintritt, unten die Jeans, ein Sweatshirt, Boxershorts und oben ein Paar eingedrehte Socken. Abgesehen von ihrem Gesicht, ihrem wilden, schönen Gesicht, wirkt sie ganz wie die dienende Frau, die Fernsehmama.
    »Die Jungs sind draußen in der Auffahrt, schippen und fegen den Pick-up aus«, berichtet sie dem Vater. Er nickt. Hört, wie sie das sagt, »die Jungs«, wie schnell und vollständig der Sohn in der Wanne aus dieser Bezeichnung herausfällt; wie sehr sich der Junge wünscht, dort draußen bei seinen Brüdern zu sein und zu tun, was ihm aufgetragen worden ist.
    Die Mutter setzt sich auf die Toilette und sieht zu, wie der Vater ihren Sohn badet. Sie hält die Kleidung auf dem Schoß. Der Sohn wird nicht mit ihr sprechen. Sie beobachtet ihn und will ihm sagen, dass er ruhig all seinen Hass auf sie richten kann; sie wird ihn annehmen, wenn er das von ihr will. Hört, hört genau, das sagt sie mit ihrem Schweigen. Der Junge kann es gar nicht überhören.
    Der Vater pfeift und summt; er verabschiedet sich.
    »Jawohl, Ma’am«, sagt er, ohne die Mutter anzuschauen. »Wir machen ihn fein.«
    Und die Mutter nickt und nickt.
    Die Brüder sind froh und dankbar für die einfache Arbeit, die sie erledigen sollen – die Türen des Pick-ups extra fest zuschmeißen, damit der Schnee abfällt, das Eis von den Scheiben kratzen, den Schnee von Dach und Motorhaube fegen. Sie sind in Gedanken nicht bei dem Jungen und dem Vater im Bad. Sie sind in Gedanken nicht bei der Mutter, die leise weint, oder der gepackten Tasche an der Haustür. Sie kümmern sich um Schnee und Eis, um das simple Problem, beides zu beseitigen.
    Der Junge in der Wanne ist froh, dass seine Brüder eine Aufgabe haben. Draußen sind sie an der frischen Luft, die ihnen die Kehlen und Nasen frei macht, nachdem sie mit der Zigarette in der Kabine gehockt haben. In der Garage gibt es Aluminiumschaufeln. Sie können unten an der Einfahrt anfangen und sich zum Pick-up vorarbeiten, tief schaufeln, bis ihre Schaufeln auf den Schotter stoßen – das Kratzen wird durch die Stille um sie herum hallen. Bei der Arbeit können sie zusammen sein, sich tief in eine Aufgabe versenken, die sie schon viele Winter gemeinsam erledigt haben. Erst der letzte Akt, das Salzen, wird sie wieder zu dem Jungen in der Wanne bringen, zu dem ersten Winter, als er sich, in einen einteiligen Schneeanzug gemummelt, ihnen dort draußen anschloss. Er war zu langsam und zu schwach zum Schaufeln, also gaben ihm die älteren Brüder einen Plastikspielzeugeimer voller Kristalle und befahlen ihm, ihnen zu folgen. Jetzt werden die beiden sich das Salzstreuen teilen. Sie werden den Sack in zwei Eimer ausleeren und das Salz wie Samen oder Asche auf der Zufahrt verteilen. Der Junge weiß, dass seine Brüder sich nach dem Schock dieser Nacht gegenseitig höflich und würdevoll behandeln werden – wenn der eine aus Versehen den Schnee in die Richtung des anderen wirft oder ihn mit der Schaufel an der Hacke trifft, wird der Schuldige sagen: » Tut mir leid.« Lauscht, und ihr werdet hören, wie ihr Flüstern zum Haus hinaufschwebt: »Tut mir leid, Mann, tut mir leid . « Und einen Augenblick später der Refrain: »Macht nichts, Bruder, macht nichts.«
    Schaut, sie öffnen die Türen. Sie steigen aus dem Wagen aus. Sie machen sich an die Arbeit.

Tierpflege
    H eutzutage schlafe ich mit Pfauen und Löwen auf einem Blätterbett. Ich habe meine Meute verloren. Ich träume davon, aufrecht zu stehen, von gestreckten Fingern, von einem einfacheren Leben – keine heißen Schnauzen, keine Reißzähne, keine Krallen, kein obszönes Federkleid –, wie ich stolz aufrecht und fröhlich dahinschlendere.
    Ich schlafe mit anderen Tieren in Käfigen und Höhlen, in Kaninchenbauten, auf Heu. Sie schmücken mich, diese Tiere – legen mich hin, betatschen mich, besitzen mich –, krönen mich zum Prinzen ihres üppigen Dschungels.
    »Aufrecht, aufrecht«, sage ich, lalle ich, schwöre ich.

Danksagung
    Mein großer Dank gilt United States Artists, dem Iowa Writers’ Workshop, dem Stanford Creative Writing Program, der Ucross Foundation, Lambda Literary, dem Truman Capote Literary Trust, dem Tin House -Magazin und der Bread Loaf Writers’ Conference für ihre großzügige Unterstützung.
    Von tiefstem Herzen danke ich Jin Auh, meiner Agentin, und Jenna Johnson, meiner Lektorin bei HMH , dafür, dass sie
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