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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten
Autoren: Carl Hanser Verlag
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sie finden konnte. Sogar eingemachte weiße Pfirsiche.
    Die Mutter strahlte Bastian immer wieder an und wiederholte: »Ich kann es kaum glauben. Es ist wirklich ein Wunder, wie es in diesem Krieg nur wenige gibt.«

    ELLI
    SAß
    IN der kleinen Kammer, die sie sich zum Wohnen hergerichtet hatten, und malte. Die Wände waren holzverkleidet. Weiße Stühle standen um einen Holztisch, auf dem eine getupfte Wachstuchdecke lag. Die Lampe beschien nur den Tisch. Und Elli saß mit baumelnden Beinen auf dem hohen Stuhl.
    Sie hatte sich zwei große weiße Blätter geholt und malte mit den Wasserfarben, die Tante Anni ihr geschenkt hatte.
    Bastian setzte sich neben sie und hielt Herrn Wutz auf seinen Fingern. Er beobachtete, wie sie kunterbunte Farben in Klecksen, Strichen, Kreisen auf das Papier auftrug. Sie legte ihren Arm und ihre Schulter um das Blatt, als wollte sie es vor Zuschauern schützen. Ihre Zunge lugte zwischen den Lippen vor. Sie murmelte und seufzte, tauchte den Pinsel ein, mischte helles Gelb mit leuchtendem Blau, trug Grün auf, mischte Rot und Orange hinzu.
    Von unten kam die Stimme der Tante, die aufgeregt rief: »Habt ihr gehört? Hitler ist tot! Und die Amerikaner sind bald in Berlin!«
    Bastian wollte aufspringen, jubeln, mehr erfahren ... Doch Elli war noch mitten im Malen. Da blieb er sitzen und schaute ihr zu.
    »Fertig«, rief Elli schon bald und hielt ihr wunderbar buntes Blatt hoch. »Wie findest du das?«, fragte sie.
    Bastian nahm das Blatt in die Hand. »Schön«, sagte er, »hell und bunt und ...« Er zögerte. »Sind das Personen?« Er sah auf einmal Arme und Beine und Köpfe. Menschen, die sich die Hand gaben.
    »Siehst du das denn nicht?«, antwortete Elli empört. »Das sind doch wir alle.«
    »Stimmt«, sagte Bastian, »ich sehe uns alle.«
    Und er dachte dabei an Elli und seine Mutter und seinen Vater. Und natürlich an seine Freunde, an Zack, Ralle, Fatz, Billi und Freddie, Hotte und Franzi und vor allem an Paul. Sie alle hatten dafür gesorgt, dass in diesem Krieg die Hoffnung nicht untergegangen war.

NACHWORT
    DER
    AUTORIN Am Ende der 1930er-Jahre begannen einzelne Jugendliche, die sich nicht dem Drill der Hitlerjugend und den nationalsozialistischen Parolen beugen wollten, sich zu Gruppierungen zusammenzuschließen, die später unter dem Namen »Edelweißpiraten« oder auch »Navajos« bekannt wurden.
    Diese Gruppen gerieten bald in das Visier des Staatsapparates: Gestapo, SS, Polizei. Sie wurden kriminalisiert und verfolgt.
    Insbesondere waren es Jugendliche aus Köln, aber auch im Ruhrgebiet zogen sie die Aufmerksamkeit auf sich. Waren es zunächst nur Raufereien mit der HJ , das Singen von Liedern mit regimekritischen Texten oder das Anbringen kritischer Parolen, so wurden die Aktivitäten mit dem fortschreitenden Krieg, also ab etwa 1942, und unter dem zunehmenden Eindruck von Angst, Hoffnungslosigkeit, Hunger, Terror und Gewalt gezielter.
    Die meisten Edelweißpiraten stammten aus Arbeiterfamilien, die Gruppen waren klein, hatten keine starre Struktur, standen keiner Ideologie nahe, handelten ohne theoretischen Hintergrund oder Überbau. Die Jugendlichen folgten vielmehr ihren eigenen Wertvorstellungen und dem gemeinsamen Willen, die menschenverachtende Willkürherrschaft der Nationalsozialisten nicht zu unterstützen, sondern sie auszuhöhlen und zu schwächen, obschon ihnen immer wieder klar wurde, dass sie nur etwas Sand ins große Getriebe streuen konnten. Um bei Folterungen keinen schnellen Verrat zu begehen, kannten sie sich in der Gruppe nur unter stark abgekürzten Namen, Spitznamen, wie Zack, Hotte, Ralle. Denn mit Verhören, Folterungen und auch der Todesstrafe mussten sie rechnen. Verfolgt von Gestapo und Polizei, waren sie in deren Augen bald nicht mehr nur Drückeberger oder Bummelanten, sondern Volksverräter, kriminelle Elemente, Verbrecher, Saboteure, Asoziale. Und das alles nahm zu, seitdem sie Deserteure versteckten, Kriegsgefangenen halfen, Gütertransporten mit Lebensmitteln auflauerten, Hungernde mit gestohlenen Lebensmittelmarken versorgten oder Flugblätter verteilten.
    In meinem Roman lasse ich zwei Jugendliche, Bastian und Paul, lebendig werden. Ich folge dabei historisch belegten Tatsachen. Die Flugblattaktionen zum Beispiel, am Bahnhof und in den Flakstellungen, sind dokumentiert, auch die öffentliche Erhängung am 10. November ist belegt, wie die Überfälle auf Lebensmitteltransporte und Bastians Flucht mit der erneuten Inhaftierung im KZ Dachau. Ich
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