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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Das bedeutet, wir haben keinen Arbeitsausfall. Weg mit den Abzeichen – und verpasst ihnen ordentliche Haarschnitte! Die aussichtslosen Fälle gehen in die Wehrertüchtigungslager ohne Chance auf Rückkehr. Wir werden Druck ausüben. Auch auf die Familien. Die werden uns nicht mehr auf der Nase herumtanzen. Wir verstärken die HJ -Streifen mit jungen SS -Angehörigen. Tatkräftige Männer, die diesen Wandervögeln Manieren beibringen. Die Zusammenarbeit mit Polizei und Sicherheitsdienst wird verstärkt. Die Befehle liegen Ihnen morgen schriftlich vor.«
    SS -Standartenführer Schründer sah in die Runde und sein Blick blieb an Ziegen hängen. »Für die Durchführung sind Sie mir persönlich verantwortlich, Herr Oberkommissar Ziegen. Sie leiten das Sonderkommissariat. Nehmen Sie diese Elemente an die Kandare. Und wenn es sein muss, machen Sie kurzen Prozess.«
    Eugen Ziegen begegnete dem Blick des Standartenführers überaus gelassen. Sollte der sich ruhig in Rage reden. Mit einem Haufen Jugendlicher, die aus der Reihe tanzten, würde er schon fertig.
    Ende der Zusammenkunft 22:45 Uhr. So stand es im Protokoll.



Teil eins
    DER
    BRENNENDE
    HIMMEL



SANFT
    STRICH
    PAUL über die warmen Nüstern des friesischen Kaltblutes und klopfte seinen Hals. »Mach es gut.«
    Er steckte seine Nase in die blonde Mähne, schnupperte und gab dem Hengst einen letzten Klapps auf das mächtige Hinterteil. Das Tier schnaubte zufrieden, schüttelte den Kopf und steckte ihn bis zu den Ohren in den Hafersack.
    »Ja, hau rein, mein Alter. Friss nur ordentlich«, sagte der Junge in dem weiten, derben Militärmantel und wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln. Eine lange Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht.
    Paul schloss die Stalltür. Sie quietschte in den Angeln und schrammte kratzend über das Kopfsteinpflaster. Er nahm seinen Rucksack auf und legte den breiten Riemen über die Schulter.
    Im Innenhof des kleinen Gehöftes glühten die Reste eines Scheiterhaufens. Den gestrigen Tag hatte er damit zugebracht, die Sachen seiner Eltern aus dem Haus zu schaffen, aufeinanderzuschichten und anzuzünden. Es war alles Mögliche. Zeugs eben. Erinnerungen aus dem Leben von drei Menschen. Zu schade, um es anderen in die Hände fallen zu lassen.
    Eine Stunde lang waren die Bomber gestern in einer sternenklaren Nacht in mehreren Angriffswellen von Westen kommend über ihn hinweggeflogen und dann hatte sich tief im Hinterland der Himmel gerötet. Im Nordosten hing am Morgen eine schwere, dunkle Rauchwolke, vielleicht über Wuppertal.
    Zuerst hatte Paul mit dem Gedanken gespielt, den Hof anzuzünden. Auf einen Brand mehr oder weniger wäre es nicht angekommen. Aber dann hatte er es doch nicht getan.
    Jetzt betrachtete er den Reiseschein, den ihm ein mürrischer Mann in der feldgrauen Uniform der SS über den Tresen des miefigen Wachlokals im Sammellager Köln-Müngersdorf hingeschoben hatte.
    31. Mai 1943, Köln-Müngersdorf, Sammellager, Jude, las Paul halblaut. Gültig bis Donnerstag, 3. Juni 1943. Gezeichnet im Auftrage des RSHA . Eine unleserliche Unterschrift. Ein Stempel, der alles besiegelte.
    »Drei Tage. Geh zurück zum Hof und versorge die Tiere! Dann bist du wieder hier«, hatte der SS-Mann befohlen. »Wir warten auf dich.« Ein Blick, ein Kopfnicken und: »Heil Hitler.«
    Zwei Tage war das her. Paul hatte von seinem Vater Abschied genommen und im gleichen Moment gewusst, dass es diesmal für immer war. Die Gewissheit darüber schnürte ihm die Kehle zu.
    Vater, der Brennstoffhändler, der Jude, der mit Pferd und Wagen in Bergisch Gladbach Kohle, Briketts und Brennholz ausfuhr. Und Paul, der evangelisch getaufte Halbjude, der den Leuten die Säcke in die Keller schleppte und mit seinen siebzehn Jahren noch nicht viel von der Welt gesehen hatte. Ihre Tage hatten aus gleichförmiger Arbeit bestanden.
    Manchmal, wenn Paul abends träumend über einem offenen Buch im Schein der Lampe gesessen hatte, hatte er die Hand des Vaters auf seiner Schulter gespürt. Ein nicht zu kräftiges und wortloses Drücken. Irgendwann hatte Paul die irre Idee, dass ihm der Druck der Hand Mut machen sollte.
    Doch dann kam Mutters Tod und Vaters Traurigkeit war schwer zu ertragen gewesen.
    Paul riss ein Streichholz an und sah zu, wie der Reiseschein hellrot aufloderte, erlosch, als verkohlter Aschenfetzen aufstieg, zerfiel und davonsegelte.
    Paul hatte nicht viel in seinen Rucksack gestopft. Socken, Unterhosen, ein Hemd, eine Hose, Zigaretten, ein Geldbündel und
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