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Klappohrkatze auf Reisen

Klappohrkatze auf Reisen

Titel: Klappohrkatze auf Reisen
Autoren: Peter Gethers
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Vorwort

    N eulich war ich in Paris, zusammen mit meiner ziemlich erstaunlichen und extrem gut aussehenden Scottish Fold oder Schottischen Faltohrkatze, Norton. Wir aßen zusammen mit Danielle und ihrer Tochter Priscilla. Danielle ist eine alte Freundin von mir, die im 17. Arrondissement lebt. Priscilla kenne ich, seit sie vier ist und nur einen einzigen englischen Satz kannte: »I like ze Beeg Mac ’amburgair.« Am Abend unseres Dinners war Priscilla nicht mehr vier. Sie war dreiundzwanzig und sprach fließend Englisch. Sie wollte uns in ein Restaurant ausführen, in dem ihr Freund arbeitete. Was bedeutet, dass ich langsam in die Jahre komme.
    Ich sage übrigens »wir« und »uns«, weil niemand so richtig aus dem Häuschen war, nur mich zu sehen. Norton war der Star des Abends. Danielle hatte ganz klar gesagt, dass sie sich natürlich freuen würden, wenn ich mitkäme, aber eigentlich interessierte sie vor allem mein kleiner grauer Kumpel als Essensgast. Danielle ließ mich sogar wissen, dass die Inhaberin des Restaurants darauf bestand, le chat möge als ihr ganz spezieller Gast zum Essen mitkommen, als sie von Norton und den Abenteuern auf seinen Weltreisen hörte.
    Als wir das Bistro d’Albert, ein reizendes, perfektes Lokal, wie es sie nur in Frankreich geben kann, betraten, wurde Norton so begrüßt, wie Ike Eisenhower meiner Vorstellung nach direkt nach dem D-Day auf den Champs Élysee bejubelt wurde. Norton bekam, wie immer, seinen eigenen Stuhl, auf dem er es sich gemütlich machte. Die Inhaberin, eine typisch blonde Französin in den Vierzigern, für die man nur zu gern den Rest seines Lebens geopfert hätte, wenn sie einen bloß anlächeln würde, strahlte übers ganze Gesicht. Aber nicht meinetwegen. Oh nein. Für meinen unschuldig dreinschauenden pelzigen Freund, der, bestimmt nur, um mich zu ärgern, schnurrte wie ein Motorboot, sich dann auf den Rücken drehte und die Inhaberin und all ihre hinreißenden Kellnerinnen praktisch anbettelte, herzukommen und ihm den Bauch zu kraulen – was sie natürlich auch taten. Ich versuchte inzwischen mein Bestes, mir einen Kir zu bestellen, aber ich schaffte es nicht mal, dass mich irgendwer ansah.
    Schließlich kehrten die Kellnerinnen zu ihren alltäglichen Pflichten zurück, machten sich an die Arbeit, und das Dinner verlief in den üblichen Bahnen. Die drei Menschen tranken eine Flasche köstlichen Rotwein zu ihren gebratenen Nieren – der Spezialität des Hauses –, und der Kater machte sich über gebratenes Hühnchen und ein Schälchen Milch her.
    Zum Erfreulichsten an Europa gehört es, dass Tiere mit großem Respekt behandelt werden. Man kann in die allerbesten und teuersten Restaurants in Paris gehen und sich fast sicher sein, dass jemand seinen Hund zum Essen mitbringt. Niemand zuckt auch nur mit der Wimper, niemand findet es seltsam. Es herrscht die weit verbreitete Ansicht, dass ein Hund das gleiche Recht auf ein köstliches Mahl bei Robuchon hat wie jeder Mensch. An diesem Abend im Bistro d’Albert hatten gleich fünf Leute ihre Hunde dabei. Was bedeutete, dass irgendwann – ich glaube, es war beim Käsegang – Norton von seiner lait froid aufsah und sich von fünf neugierigen Hunden unterschiedlicher Größe und Temperament umzingelt sah. Einer davon knurrte. Ein anderer nahm seinen Mut zusammen, steckte Norton seine Nase mitten ins Gesicht und beschnüffelte ihn auf besonders geringschätzige Weise. Der Hund schien der Meinung zu sein, Pariser Restaurants seien ihre Domäne und Katzen sollten bleiben, wo sie hingehörten – zusammengerollt am Kamin einer Jahrhundertwende-Wohnung oder unterwegs in einem Garten auf der Jagd nach leckeren Mäuschen. Ganz bestimmt aber gehörten sie nicht an Orte, wo sie Hunden die menschliche Zuneigung – vom bœuf bourgignon ganz zu schweigen – streitig machten. Einen kurzen Moment lang erstarrte alles im Raum. Ich wusste nicht, ob die Franzosen je von der Schießerei am O.K. Corral gehört hatten – hatte aber das Gefühl, dass sich gleich ein ähnliches Szenario ereignen würde. Außer dass Norton, in der friedensstiftenden Rolle des Wyatt Earp, entschlossen seinen Kreis potenzieller Folterer anguckte, einem nach dem anderen direkt in die Augen sah und weiter gelassen sein Hühnchen aß und seine Milch schleckte. Als ein Hund bellte und damit ein bisschen mehr Beachtung verlangte, kaute Norton sein Stückchen Huhn zu Ende und schaute den Beller dann voller Mitleid an, als wollte er sagen:
    »Also bitte.
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