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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten
Autoren: Carl Hanser Verlag
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hellen Socken steckte links ein Kamm und aus dem rechten lugte das Heft eines Fahrtenmessers.
    Paul hatte eine geladene Armeepistole im Rucksack. So schlecht waren seine Karten also nicht.
    »Nein, wir mögen uns nicht, die HJ und ich. In ihren Augen bin ich asozial und minderwertig. Ich bin Halbjude. Sie wollen mich nicht. Das habe ich schriftlich.«
    »Asozial?« Zack hatte sich vorgedrängt und stellte sich so hoch auf die Zehenspitzen, bis er auf Paul hinunterblicken konnte. Er sog die Luft durch die Nase und gab schnüffelnde Laute von sich. »Asozial? Das wollen wir doch gleich mal testen. Du riechst nach verdammt gutem Tabak.«
    Paul schob Zack auf Armlänge von sich weg. Er sah Bastian an: »Komm, mach schon. Halt mir den Kleinen vom Leib.«
    »Nee, nee«, sagte Bastian, »lass den mal. Jeder Jeck ist anders. Nicht wahr, Zack?«
    Kaum eine Minute später beobachtete Paul, wie sich ein beträchtlicher Teil seines Tabakvorrates in Rauch auflöste. Genüsslich schmauchend saßen sie an die Bunkerwand gelehnt, steckten sich eine Overstolz nach der anderen ins Gesicht und hörten sich Pauls Geschichte an, die eigentlich nur von den letzten Tagen berichtete. Er erzählte von Müngersdorf, den zusammengepferchten Juden und von den Gerüchten, die im Sammellager herumschwirrten. Von den Güterzügen, die in den Osten fuhren.
    »Und dann bin ich abgehauen«, sagte er, »hierher in die Stadt. Franzi hat mir geholfen.«
    Franzi sah ihren Bruder an. Er nickte ihr zu, verzog aber keine Miene. »Mal sehen, ob wir was für dich tun können, Paul«, sagte er.
    »Ich komme zurecht«, sagte Paul. »Aber mal so unter uns: Was seid ihr überhaupt für ein Verein?«
    Fatz stellte das Revers seiner Jacke auf und zog den Kragen glatt. Das Abzeichen war jetzt nicht mehr zu übersehen: Es zeigte ein Edelweiß.
    Bastian legte ihm den Arm auf die Schulter. »Verein, Paul – ich weiß nicht. Wir sind eher so eine Art zwangloser Haufen, ohne Befehle und Rottenführer. Wir singen und wandern und lassen uns das nicht verbieten.«
    Paul lachte. »Herumtreiben und rauchen?«
    »Ja«, sagte Bastian und legte Paul die Hand auf die Schulter. »Warum eigentlich nicht? Aber das Programm ist ausbaufähig. Und der Eintritt ist frei. Und du? Was wärst du bereit zu tun?«
    »Was könnte ich tun?«
    »Was gegen die da vielleicht. Sieh sie dir an. Kurze Haare, große Ohren.« Zack stieß Bastian an und sein Blick ging hinüber an den Rand des Platzes. Eine HJ-Streife sah zu ihnen herüber. Zack musterte Paul. Aber der blieb seelenruhig und nickte nur. Einverstanden, hieß das.
    Zack fuhr fort: »Sieh genau hin. Geschniegelt und gestriegelt und immer ein ›Zu Befehl‹ auf den Lippen. Die kenne ich fast alle. Schule und HJ .«
    »Du musstest doch auch in die HJ und dann bist du einfach nicht mehr hingegangen?«
    Zack grinste. »Klar. Ein ganzes halbes Jahr habe ich Dienst geschoben. Ich bin in eine HJ -Musikgruppe gegangen und habe mitgesungen. Aus vollem Hals. Die Fahne hoch und so. Hauptsache, laut und innig. Erst haben sie mich bewundert. Sie hielten mein Geschrei für Begeisterung. Bis sie endlich von mir und meinem Gegröle die Schnauze voll hatten. Ich hätte keine Disziplin, sagten sie. Später kamen sie dahinter, dass ich unzuverlässig bin. Das war es dann. Dann war Ruhe.«
    Zack stieß Paul augenzwinkernd den Ellenbogen in die Seite. »Den Bastian hat es aber wirklich schlimm erwischt. Der muss an jedem Samstag zum Dienstschieben in die Werks- HJ bei Ford . Ohne Dienst an Führer, Volk und Vaterland gibt es kein Schlosserdiplom. Und Bastian hasst die HJ wirklich. Ich bin einfach nur lustlos. Jetzt bin ich nur noch in der HJ -Feuerwehr vom Takubunker. Aber das hat mit der HJ nichts zu tun. Wir können unsere Leute schließlich nicht in den Kellern verrecken lassen.«
    Bastian und Franzis großer Bruder standen etwas abseits. Hotte lebte von allen am gefährlichsten. Der Rangierer bei der Deutschen Reichsbahn musste jede Nacht um zwei Uhr raus zu den Schienen und Zügen. Die Gleise waren ein bevorzugtes Ziel der Bomber. Tagsüber wurden sie jetzt oft von einzelnen Maschinen angegriffen. Jagdbomber, die man erst hörte, wenn es fast zu spät war. Sie beschossen die Züge mit Maschinengewehren. Hotte gähnte ausdauernd.
    Bastian zeigte auf Paul. »Da hat Franzi ja einen tollen Fang gemacht.«
    Hotte grinste. »Tut es immer noch weh?«
    »Willst du es ganz genau wissen?«, fragte Bastian.
    »Nur wenn du mir nicht wieder die Hucke
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