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Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Titel: Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
Autoren: Astrid Herbold
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Stammhalter zu der irrigen Schlussfolgerung veranlassen könnte, Frauen benähmen sich immer so – Männer bedienen, Klappe halten –, darauf konnte sie leider unter diesen komplizierten Umständen keine Rücksicht nehmen.
    Beim dritten Besuch belohnte das wandelnde Basecap ihre vermeintlich feminine Schüchternheit, indem es das erste Mal unaufgefordert das Wort an sie richtete: »Was arbeitest du eigentlich?«
    Die Gefragte antwortete bescheiden und bündig und nickte anerkennend, als Paul die Gelegenheit gleich nutzte, um ausgiebig von der ebenso anspruchsvollen wie aussichtsreichen staatlich geförderten Weiterbildungsmaßnahme seiner Mutter zu erzählen.
    »Du, ich fand das Wochenende mit deinen Kindern diesmal richtig nett. Ich freue mich echt schon wieder auf das nächste Mal, wenn sie kommen«, flötete sie dem neuen Mann abends ins Ohr, als die Versteinerten endlich wieder im IC Richtung Karlsruhe saßen. Sie hatte allen Grund zu flöten, denn der neue Mann massierte ihr zum aktuellen Zeitpunkt nicht nur hingebungsvoll die Füße, sondern hatte gerade eben auch erst aufgehört, die Pfannen und Töpfe in die Spülmaschine einzuräumen, in denen er ihr vor einer knappen Stunde ein köstliches Kartoffeln-mit-Fleisch-Sauce-und-frischem-Gemüse-Menü gekocht hatte. Die fünf Kilo, die sie während der Trennung vor drei Jahren verloren hatte, hatten seine Kochkünste übrigens in kürzester Zeit wieder auf ihre Hüften zurückgezaubert. Sie bedauerte das sehr, aber er kommentierte höchst charmant: »Erstens sieht man überhaupt nicht, dass du angeblich zugenommen hast, und zweitens liebe ich jedes Gramm an dir.« Auch wenn er das vermutlich in einer Frauenzeitschrift gelesen und auswendig gelernt hatte – sie fand es originell und entzückend.
    Überhaupt war er ein solcher Hauptgewinn, dass selbst zwei stumme Söhne seine Qualitäten nicht schmälern konnten. Ihr Leben war wunderbar. Als wäre ein Gratis-Babysitter, -Haushälter und -Callboy eingezogen. Ständig konnte sie jetzt abends ausgehen, er blieb immer gerne zu Hause, er hatte eh noch am Computer zu tun. Wasserkästen und Kartoffelsäcke schleppt nun selbstverständlich nicht mehr die zerbrechliche Frau, sondern der von Muskeln und Testosteron strotzende Mann in den dritten Stock – »Gib her, das ist doch viel zu schwer für dich, Schatz«. Am Valentinstag und zum Geburtstag kriegte sie tatsächlich Blumen und zu Weihnachten schicke Designerunterwäsche. Leider in der falschen Körbchengröße, aber es zählt ja doch vor allem die Geste, oder?
    An seinen unglaublichen Tugenden war sie natürlich nicht ganz unschuldig. Denn eins hatte sie diesmal gleich von Anfang an richtig gemacht: ihre ausgeprägten Bizeps unter labberigen T-Shirts kaschiert, ihre Fähigkeit, eine Bohrmaschine zu halten, geleugnet und sich auch sonst immer und überall dumm gestellt. Vor allem in der Küche. Sie schaffte es sogar, ein Salamibrot dreimal runterfallen zu lassen, immer auf die Butterseite natürlich, bis endlich irgendwas nur noch bedingt Essbares fertig auf ihrem Teller lag. Da musste der neue Mann natürlich heldenhaft einschreiten und seine Liebste vor dem sicheren Hungertod bewahren. Wenn er sie sonst schon so selten retten konnte. Den Kaffee morgens wollte dann aber wirklich sie für ihn machen, aber immer geriet die Brühe entweder viel zu schwach oder viel zu stark. Und dann noch der Gestank von der übergekochten Milch in der ganzen Wohnung.
    Seitdem hat er das Frühstückmachen auch noch übernommen.
    Stolz führte sie ihn bei ihren Freundinnen ein – und vor. Er enttäuschte sie nie. Als Anja und Sabine mit den Kindern zu Besuch waren, reichte ein leises »Kannst du mal gucken gehen, ja, danke, das ist so lieb von dir« und der neue Mann stürzte mutig dem Geschrei im Kinderzimmer entgegen. Bis dort alle zertrümmerten Spielsachen repariert und alle Tränen getrocknet waren, blieb genug Zeit, mal so richtig anzugeben.
    »Ist er nicht total süß? Kümmert sich und macht und tut. Ich weiß gar nicht, womit ich den verdient hab.«
    »Mhm.«
    »Ich sag euch, der ist echt vom Himmel gefallen.«
    »Mhm.«
    »Wir sind so happy miteinander. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so verliebt war.«
    »Mhm.«
    Anjas und Sabines Begeisterung hielt sich in Grenzen. Was nicht am neuen Mann lag, sondern an den hässlichen Scheidungskriegen, in die beide gerade verwickelt waren. Na ja, Pech für sie. Sollten doch froh sein, ihre aufgeblasenen Hähne von Ehemännern
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