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Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Titel: Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
Autoren: Astrid Herbold
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jetzt genau wie lange her? Aha, fünf Jahre. Aber das Verhältnis zu seinen Kindern natürlich noch eng? Oder hassen sie ihn etwa? Apropos: Wie hält er’s mit der Ex? Zersticht sie ihm noch gelegentlich die Autoreifen? Beschimpft ihn, wenn er sich ihr auf zehn Meter nähert? Nein? Das Verhältnis ist gut? So, so. Aber doch wohl nicht so gut, dass sie noch zusammen in Urlaub fahren würden, oder? Und dort in einem Bett schlafen. Nein, nein, natürlich nicht. Ach, und die Besuchszeiten? In Frieden geregelt, ja? Streit um Geld? Selten? Großartig. Und die Ex hat schon seit drei Jahren wieder einen Neuen, mit dem sie total glücklich ist? Das ist ja schön zu hören und umso besser.
    Als die Rahmenbedingungen damit so weit geklärt waren, sah die allein erziehende Mutter keinen Grund mehr, warum sie diesen Mann nicht mit nach Hause nehmen und ihm dort ihre verstaubte Briefmarkensammlung zeigen sollte. Aber wer zu einem Wochenendvater A wie »Also los, lass uns zu mir gehen!« und B wie »Bleib doch noch zum Frühstück!« sagt, der muss irgendwann auch C wie »Charakterlich gesehen, kommen deine Kinder da nach dir?« und D wie »Doch, doch, ich würde sie trotzdem wahnsinnig gerne mal kennen lernen!« sagen. Warum auch soll sie die Söhne Karlsruhes nicht spontan in ihr Herz schließen? Sympathie nach Sippenhaftprinzip. Jedenfalls ist sie wild entschlossen, Anton und Paul in aller Freundschaft die Hand zu reichen. Ohne sich ihnen aufzudrängen natürlich.
    Spontan funktioniert das mit der Sippensympathie nur mäßig. Als die beiden nach Monaten der Schonfrist (»Versteh doch, du bist die erste Frau, die ich ihnen vorstelle. Da will ich sie lieber vorsichtig ranführen an die Situation.«) endlich samt Rucksäcken und Skateboards in ihrem Flur stehen, findet sie Antons Hose fünf Nummern zu groß und Pauls Basecap zehn Zentimeter zu tief in die Stirn gezogen. Ausgeburten an Höflichkeit scheinen die beiden außerdem auch nicht zu sein, denn ihre hingestreckte Hand findet zunächst niemanden, der sie drücken will.
    Sie zeigt sich trotzdem von ihrer coolsten Seite. Ständig fordert sie den Papa auf, aufregende Dinge mit seinen Kindern zu unternehmen, ihnen zu kaufen, was ihr Herz begehrt, ihnen DVDs auszuleihen, die sie schon lange mal gucken wollten, und sie natürlich so lange aufbleiben zu lassen, wie sie aufbleiben möchten. Anton und Paul wissen ihren Einsatz nur bedingt zu schätzen, jedenfalls ist ihren versteinerten Mienen nicht zu entnehmen, ob sie von der neuen Frau ähnlich begeistert sind wie ihr Vater. Vermutlich hängen sie derselben Eltern-haben-sich-gefälligst-asexuell-zu-benehmen-und-ausschließlich-für-ihre-Kinder-zu-interessieren-These an wie die Blumenmalerin.
    Die spontane Begründung einer herzlichen Freundschaft scheitert aber auch noch an anderen Dingen. Die Hauptinteressen der beiden halbwüchsigen Besucher – Computer spielen (Paul), Tags zeichnen (Anton) – lassen sich nämlich leider wenig bis gar nicht mit den Vorlieben der Mutter-Tochter-Kleinfamilie vereinbaren. Nach einem gemeinsam verbrachten Tag, an dem es ziemlich viel peinliches Schweigen und noch mehr peinliches »So, und, was wollt ihr jetzt machen?« gab, einigte man sich deshalb darauf, Unternehmungs-Untergruppen zu bilden – »Ihr mit eurem Papa und ich mit Greta« – und sich erst »morgen oder übermorgen oder so« wieder zu treffen.
    Die gemeinsame Freizeitgestaltung mit Anton und Paul blieb auch in den kommenden Weihnachts-, Oster- und Pfingstferien eine angespannte Angelegenheit. Zumal die Pferdenärrin irgendwann angefangen hatte, ihre neue männliche Bezugsperson mit Liebe, Küsschen und Umarmungen zu überschütten, und in Anwesenheit seiner leiblichen Nachkommen zu vereinnahmenden Eifersuchtsattacken neigte, die dann von Seiten der umsichtigen Mutter kunstvoll überspielt werden mussten. Aber die einköpfige Muttertruppe war von ihrem ersten Einsatz noch mit allen Raffinessen der psychologischen Kriegsführung vertraut und ließ sich von der Überschwänglichen und den Versteinerten nicht aus dem Konzept bringen. Ihre Rolle war klar: Sie war der Flokati dieser Familientreffen. Sie schluckte eine Menge störender Nebengeräusche und federte die Schritte aller Beteiligten sanft ab.
    In Anwesenheit der Söhne fragte der Flokati deshalb auch nur manchmal vorsichtig nach Essens- und Getränkewünschen, die er dann umgehend erfüllte, und übte sich ansonsten in vornehmer Zurückhaltung. Dass ihr Verhalten die beiden
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