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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
Autoren: Christiane F.
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Clique ist es das Letzte, unter dem Reklame-Glitzer-Glitzer des Kurfürstendamm auf Freisein zu machen. Wir hassen alle die Stadt. Wir sind total auf dem Naturtrip. An den Wochenenden fahren wir mit dem Auto kreuz und quer durch Schleswig-Holstein, laufen dann irgendwo zu Fuß los, bis wir einen total coolen Platz gefunden haben. Wir sind oft im Moor, an Plätzen, an die sonst garantiert kein Mensch kommt.
    Das Geilste aber ist unsere Kalkgrube. Ein wahnsinniges Loch mitten in der Landschaft. Fast einen Kilometer lang und 200 Meter breit und bald 100 Meter tief. Die Wände sind senkrecht. Es ist sehr warm da unten. Kein Wind. Unten wachsen Pflanzen, die wir sonst noch nirgends gesehen haben. Unheimlich klare Bäche fließen durch dieses Wahnsinnstal. Und aus den Wänden kommen Wasserfälle. Das Wasser färbt die weißen Wände rostrot. Überall liegen weiße Brocken rum, die aussehen wie die Knochen von Urtieren und vielleicht auch Mammutknochen sind. Der riesige Bagger und die Förderbänder, die am Alltag einen nervenden Lärm machen, sehen an den Wochenenden aus, als lägen sie schon seit Jahrhunderten still. Der Kalk hat sie auch längst weiß gemacht.
    Wir sind ganz allein in diesem Wahnsinnstal. Vor der übrigen Welt liegen ringsum die senkrechten Kalkwände. Es kommt kein Geräusch von draußen rein. Das einzige Geräusch machen die Wasserfälle.
    Wir stellen uns immer vor, dass wir die Kalkgrube kaufen, wenn die Förderung eingestellt wird. Wir wollen uns Blockhäuser da unten bauen, einen Riesengarten anlegen und Tiere halten und alles dahaben, was man zum Leben braucht. Den einzigen Weg, den es aus der Grube gibt, wollen wir wegsprengen.
    Wir hätten sowieso keinen Bock, je wieder nach oben zu gehen.

Kai Hermann, geboren 1938, war als Autor für »Die Zeit«, den »Spiegel« und den »stern« tätig. Außerdem verfasste er zahlreiche Bücher und Drehbücher und wurde für seine Arbeiten mit dem Theodor-Wolff-Preis, der Carl-von-Ossietzky-Medaille und dem Kisch-Preis ausgezeichnet.
Im Carlsen Verlag ist sein Titel »Engel und Joe« erschienen.
    Horst Rieck, geboren 1941, lebt als freier Autor in Berlin. Als Mitarbeiter u.a. von »stern« und »Die Zeit« beschäftigte er sich vorwiegend mit Themen von Jugendlichen.
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