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Wir haben gar kein Auto...

Wir haben gar kein Auto...

Titel: Wir haben gar kein Auto...
Autoren: authors_sort
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Tage verbringen wir mit gemischten Gefühlen. Man hat uns angeboten, uns zwei nach unseren Maßen angepasste Räder zu Übungszwecken und, so sie denn konvenieren, zum späteren Erwerb zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet schlicht und ergreifend: So, jetzt wird es ernst.
    Bislang war das ja immer noch eine jederzeit wieder rückgängig zu machende Reise. Klar, irgendwie können wir auch jetzt noch kneifen. Aber wie sieht das denn aus? Nun wissen ja schon etliche Personen davon, und denen zu sagen: »Bitte, bitte habt Verständnis dafür, wir wollen unsere armen Wadln nun doch nicht solchen Strapazen aussetzen«, klingt wirklich erniedrigend. Zumindest für mich. Bruno sagt, für ’ne Absage ist es nie zu spät. Ich kann das aber nicht. Ich hab mir das nun mal vorgenommen, und ich sehe auch wirklich keinen triftigen Grund zu kneifen. Dann gehe ich halt ab morgen ins Fitti und schwing mich bei dröhnender Powermusik zum Spinning aufs Rad, wenngleich mir nichts mehr zuwider ist als diese Massenveranstaltungen, bei denen du nur anerkannt wirst, wenn dein Schweiß bis auf den Boden tropft. Dass die anderen sich danach sowieso das Maul über dich zerreißen werden, von wegen »So ’ne alte Kuh macht da einen auf Muskelaufbau«, ist mir klar. Brrrr, mag ich wirklich nicht, ich setz mir ’ne Perücke auf, dann erkennen sie mich vielleicht nicht, dann ist es nicht ganz so peinlich. Oder ich fahre ein paarmal um den Starnberger See, das macht auch fit und ist gesund.
    Brunos Begeisterung über diesen Vorschlag lässt tief blicken.Er ist der Meinung, dass wir uns mit der Reise mehr als genug verausgaben werden, und er versteht absolut nicht, warum er schon vorab so unsinnig lange Touren unternehmen soll. Dann könne man sich ja gleich die geplante Radtour sparen, da sei es ja gar nicht mehr spannend. Seiner Meinung nach genügt es absolut, wenn er sich vier Wochen vorher mit ein bisschen Joggen und Gymnastik fit macht. »Du wirst schon noch sehen und erstaunt sein«, meint er.
    Ja, das bin ich in der Tat, schon seit einigen Jahren. Bruno hat nämlich absolut kein Problem damit, ständig davon zu reden, wie fit er bald sein wird, und
»You will be astonished«
ist sein absoluter Lieblingssatz. Nur, was mache ich, wenn er mir auf halber Strecke schlappmacht und nach einem Notarzt japst, was er übrigens äußerst gerne tut?
    Warum kann dieser Italiener nicht
ein Mal
eine Sache mit dem gehörigen Ernst angehen? Wir gehen nicht einfach mal so ’ne Stunde spazieren. Immer muss er jonglieren, ich wünsche mir, dass er mir zeigt, so, jetzt hab ich mich entschlossen und bewege meinen Hintern. Ich will eine Initiative sehen, wie: »Ich fahre jetzt mal zehn Kilometer, kommst du mit?«
    Stattdessen liegt er auf der Couch und blättert im Fahrradmagazin, um sich fit zu machen. Danach lässt er unheimlich tolle Ideen raus, die ich mir dann merken soll, um sie vielleicht später mal zu Papier zu bringen. Natürlich erzählt er mir auch, was er alles noch unbedingt so braucht, um glücklich radeln zu können.
    Â»Du kannst ja noch gar nicht radeln – weder glücklich noch unglücklich«, keife ich zurück. Oh Mann, das kann ja heiter werden.
Inzwischen fange ich auch schon an, nachts die merkwürdigsten Träume zu bekommen. Wie zum Beispiel vor einigen Nächten, als ich hoch oben auf einem Berg zwischenFelsen stand, verzweifelt nach Bruno schrie und mir statt einer Antwort von unten immer eine Wasserfontäne entgegenspritzte. Ich will diesen Traum nicht weiter gedeutet wissen.
    Während mich in den folgenden Tagen vor allem die praktischen Alltagsradelfragen beschäftigen, treibt Bruno mich mit einer typisch italienischen Eigenart, die mir zutiefst zuwider ist, in den Wahnsinn. Sie lautet: Ein Italiener ohne sein
telefonino
ist nur ein halber Italiener.
    Na und?, kann man dazu sagen, aber wenn man den Mann kennt, der Bruno Maccallini heißt, dann weiß man: Der Arme radelt irgendwann mal in sein Verderben mit dem Handy am Ohr.
    Es gibt Menschen, die können mehrere Dinge gleichzeitig tun. Dies ist aber nicht Brunos Stärke. Sobald sein Handy klingelt, und das tut es ungefähr zehnmal pro Stunde, gilt seine volle und einzige Aufmerksamkeit diesem blöden Ding und dem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung. Bruno vergisst die Welt um sich herum, kann den anderen, da er ein
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