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Wir erklären den Frieden! (German Edition)

Wir erklären den Frieden! (German Edition)

Titel: Wir erklären den Frieden! (German Edition)
Autoren: Stéphane Hessel , Dalai Lama
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Gegenteil behaupte und sie zu hören bekommen: Der Dalai Lama missbilligt, dass diese Mönche und Nonnen sich für Tibet opfern. Eine ungeheuer verfängliche Frage.
    S. H.: Könnte man vielleicht sagen, dass die Verantwortung für den Selbstmord nicht bei den Opfern liegt, sondern bei jenen, die ihnen das Weiterleben unmöglich machen?
    D IE H ERAUSGEBER : Ihr Freund Robert Thurman, 4 der amerikanische Professor, sagte, wenn das chinesische Volk mit eigenen Augen sehen könnte, wie diese junge Nonne als menschliche Fackel verbrennt, würde das ganze System einstürzen.
    D. L.: Die 1,3 Milliarden Chinesen haben unbedingt das Recht, die Wahrheit zu erfahren und selbst zu entscheiden, was richtig ist und was nicht. In ihrem Bestreben, alles zu kontrollieren und gegebenenfalls zu tilgen, ist die Zensur zutiefst amoralisch. Der chinesischen Regierung fehlt es an Mut, sich der Wirklichkeit zu stellen, stattdessen behilft sie sich mit Waffengewalt, Unterdrückung und Desinformation. Seit Niederschlagung des Tibetaufstands im Jahr 1959 wurden unseren Quellen zufolge über eine Million Tibeter getötet, sind in Konzentrationslagern gestorben oder verhungert. Die chinesischen Militärakten führen ihrerseits für den Zeitraum von März 1959 bis September 1960 87   000 Personen auf, die allein in Lhasa und Umgebung zu Tode gekommen sind. Trotz dieses unermesslichen Leides setzen wir unsere Politik der Gewaltlosigkeit ungebrochen fort, und sie trägt durchaus Früchte: In den letzten zwei Jahren haben wir gut tausend Artikel von Chinesen auf Chinesisch erfasst, die unseren »Mittleren Weg« begrüßen und ihre eigene Regierung sehr kritisch sehen. Erst kürzlich hat mir ein hochgebildeter junger Chinese aus Peking einen Brief geschrieben: Aufgrund der chinesischen Regierungspropaganda habe er den Dalai Lama bisher für einen Separatisten gehalten, der die Unabhängigkeit anstrebt. Doch seit seiner Begegnung mit einem Tibeter, der von Indien zu einem buddhistischen Heiligtum in China gepilgert war, wisse er, dass es dem Dalai Lama nicht um die Unabhängigkeit geht, sondern lediglich darum, die tibetische Kultur zu retten. In seinem Brief stand, von nun an unterstütze er mich voll und ganz, und wenn alle Chinesen die Wahrheit kennten, würden sie mich ebenfalls zu hundert Prozent unterstützen. Die chinesischen Machthaber verfügen zwar über eine gewaltige Armee, aber insgeheim sind sie voller Furcht. Wir Tibeter haben einen viel stärkeren Geist, darauf können wir bauen!
    Das große »Wir«
    S. H.: Die Welt ändert sich nicht so schnell, wie wir es gern hätten, aber sie ändert sich zweifellos. Sie verkünden eine Botschaft von Mut und Zuversicht. Mit meinen bescheidenen Mitteln versuche ich das Gleiche, wenn ich jungen Leuten begegne. Ich sage zu ihnen: Die Lage ist schwierig, doch ihr müsst Zuversicht zeigen und beherzt handeln. Dann werden sich die Dinge nach und nach wandeln, vielleicht sogar überraschend schnell, vorausgesetzt, man handelt nicht allein, sondern gemeinschaftlich. Die junge Generation hat jetzt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, einen enormen Vorteil. In unserer Jugend gab es höchstens das Telefon, aber keine Möglichkeit der elektronischen Kommunikation. Heute benutzen meine Kinder, Enkel und selbst meine fünf Urenkel ganz selbstverständlich E-Mail, iPad und was es sonst noch gibt. Aussagekräftige Texte und Bilder können jetzt in Windeseile weltweit verbreitet werden.
    D. L.: Die modernen Informationstechnologien bieten in der Tat einen ungeheuren Vorteil.
    S. H.: Unsere moderne Gesellschaft zeigt Risse. Manchmal scheint sie bereits zusammenzubrechen. Also könnte der Wandel schneller eintreten als in früheren Jahrhunderten. Wie lange hat es gedauert, bis die Menschenrechte zum Thema wurden? Vier oder fünf Jahrhunderte? Eure Heiligkeit, Sie haben einen großen Vorzug: Sie können sich auf einen Geist verlassen, der Tausende von Jahren zählt, der nie zu erschüttern war, der seit jeher besteht und dessen Kraft bis heute unvermindert ist. Für uns ist es nicht so leicht. Wir stützen uns auf das 16. Jahrhundert, als Europa sich zu wandeln begann, die Impulse setzten sich zunächst mit der Französischen, dann mit der Amerikanischen und schließlich mit der Russischen Revolution fort. Unsere Geschichte hat sich durch vielerlei Umwälzungen erst nach und nach herausgebildet. Bei Ihnen habe ich hingegen den Eindruck, dass Sie auf festem Boden stehen, dass Sie sich auf uralte Grundfesten stützen.
    D.
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