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Wir erklären den Frieden! (German Edition)

Wir erklären den Frieden! (German Edition)

Titel: Wir erklären den Frieden! (German Edition)
Autoren: Stéphane Hessel , Dalai Lama
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werden. Im ersten Fall ist Gott vorhanden, im zweiten nicht.
    D. L.: Die Anhänger der christlichen, jüdischen, islamischen Religion, sogar einige hinduistische Strömungen gehen alle von einem Schöpfer aus. Diese Glaubensrichtungen haben der Menschheit jahrtausendelang gute Dienste erwiesen, es würde also nichts nützen, sich dort einzumischen. Man sollte sich lediglich für die Werte starkmachen, die sie vertreten: Nächstenliebe, Mitgefühl, Vergebung. Jede Religion hat ihre eigene Schönheit und verdient unseren Respekt. Doch wenn wir uns universell verständigen wollen, brauchen wir eine andere Gesprächsgrundlage, nämlich die einer säkularen Ethik. Säkular bedeutet keine Missachtung der Religion. Die säkulare Ethik achtet sämtliche Religionen, ebenso wie sie die Nichtgläubigen achtet, die weiterhin das Recht haben, nicht zu glauben. Individuell gesehen, gilt die Devise »eine Religion, eine Wahrheit«, wenn wir aber die ganze Gemeinschaft der Menschen in Betracht ziehen, müssen wir stets die Auffassung von »mehrere Religionen, mehrere Wahrheiten« vertreten. In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird nicht zwischen dieser und jener Religion, zwischen dieser und jener Nation unterschieden. Sie spricht die gesamte Menschheit an.
    S. H.: Ob mit oder ohne Gott – als Menschen tragen wir alle Verantwortung, und zwar nicht allein für die Gemeinschaft der Menschen, wie es in der Erklärung von 1948 heißt. Diese wechselseitige Abhängigkeit betrifft uns alle, Gläubige wie Nichtgläubige. Wir müssen der Natur mit einer neuen Verbundenheit begegnen. Dieser Verantwortung sind wir bisher nicht gerecht geworden. Wir sind mit der Natur wüst umgegangen. Doch jetzt müsste man sich endlich für das Überleben von Natur und Umwelt engagieren. Ich denke, das ist die größte Herausforderung für die Nationen, das oberste Ziel, das sie sich stecken sollten.
    D. L.: Inzwischen ist das mehr als eine bloße Pflicht. Unser eigenes Überleben steht auf dem Spiel: globale Erwärmung, sinkende Landwirtschaftserträge, Smog in den Städten, Umweltverschmutzung aller Art. Wo bleiben da unsere Menschenrechte?
    S. H.: Während wir uns hier unterhalten, versammeln sich im südafrikanischen Durban 194 Staaten zur 17. UN-Klimakonferenz. Aber was tun sie? Sehr wenig. Aus diesem Grund habe ich mich empört, wie es in meinem Büchlein heißt. Unsere Regierenden sind schwach, zaghaft. Sie wissen genauso gut wie wir, dass Mensch und Natur bedroht sind. Aber sie kommen nicht vom Fleck, sie haben keinen Handlungsspielraum, die Finanzsysteme beherrschen alles.
    D. L.: Wir sind stets auf das unmittelbare Ergebnis unseres Handelns fixiert, ohne die Langzeitfolgen zu bedenken. Ich habe mit einigen Geschäftsleuten gesprochen, denen die jetzige Wirtschaftskrise sehr teuer zu stehen kommt, und die meisten haben eingeräumt, dass sie kaum einen Gedanken an die Entwicklung der nächsten zehn oder zwanzig Jahre verschwenden. Sie widmen sich akuten Problemen, indem sie beispielsweise mehr Darlehen aufnehmen, aber sie nehmen keine Verantwortung für die künftigen Generationen, für ihre Kinder und Enkel, wahr. Das liegt sicher daran, dass sie sich die wechselseitigen Abhängigkeiten nicht bewusst machen. Die Zukunft hängt von der Gegenwart ab, wenn wir ein neues Projekt in Angriff nehmen, müssen wir uns dabei stets die Langzeitfolgen vor Augen führen. Wenn schon nicht für die nächsten tausend, so doch wenigstens für die nächsten zehn Jahre! Nehmen wir einmal die Streiks, die Unruhen in Griechenland und anderswo – vielleicht wären sie nicht aufgetreten, wenn man die strengen Sparauflagen behutsam, schrittweise eingeführt und nicht mit einem Schlag brutal durchgesetzt hätte. Für mich zeigt sich hier ein Mangel an ganzheitlicher Perspektive.
    Kartographie des Geistes
    S. H.: Dem Menschen fällt es ungeheuer schwer, seine Erkenntnisse in Taten umzusetzen. Wir lesen kluge Bücher, in denen steht: Achtung, Sie verbrauchen zu viel Benzin, in zehn Jahren wird es keines mehr geben! Und wir denken: Stimmt, doch wir fahren weiterhin mit dem Auto, vielleicht mit einem Modell, das etwas weniger verbraucht, aber nach wie vor mit einem Auto. Damit die Erkenntnis zur Tat führt, muss noch etwas hinzukommen, das Sie so zutreffend als Mitgefühl bezeichnet haben. Wir sollten uns nicht nur in Gedanken, sondern auch beim Handeln vom Mitgefühl leiten lassen. Wir sollten uns klarmachen, dass wir nie allein handeln, ob im Guten oder im
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