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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel
Autoren: Heinz Hendrix
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Backen noch erzählen
konnte. Wir beide haben im Stillen über sie geschmunzelt. Die Krönung kam nach
dem Essen als sie sich die Schüssel an den Mund setzte und das Dressing
austrank. Aber vielleicht war das im Schwabenländle vornehm. Nun aber musste
endlich gekocht werden, mal sehen, was die abgereisten Pilger zurückgelassen
hatten. Paprikapulver, Salz, Pfeffer, sogar Spaghetti-Bolognesegewürz. Oh, hier
lagen ja noch vier Knoblauchzehen. Alles konnte ich gebrauchen, es ging los.
Helga spülte das Geschirr noch einmal, besser ist besser. 400 Gramm Spaghetti
hatte ich gekocht, keine einzige Nudel blieb übrig. Es war voller in der Küche
geworden, alle hatten Hunger und wollten kochen. Wir brauchten noch nicht
einmal zu spülen, so schnell wurden wir unseren Topf und die Pfanne quitt.
    Das Wetter
war zum Abend besser geworden. Vielleicht hatten die Pilger in Finisterre heute
einen schönen Sonnenuntergang. Wenn ich den Camino noch einmal in Gedanken an
mir vorüberziehen ließ, musste ich leider feststellen, dass ich schon vieles
vergessen hatte, die Zeit war einfach zu lang. Da meine Mitpilgerin vierzehn
Jahre jünger ist, hat sie diese Probleme noch nicht. Ich werde sie noch sehr
oft um Rat fragen müssen, bis mein Buch druckreif sein wird. Auch würde ich
sehr gerne mit ihr noch einmal einen Camino gehen, von Sevilla nach Santiago
könnte mich schon begeistern, aber zuerst müssen wir diesen beenden bevor wir
etwas Neues planen. Es ist 20:30 Uhr, draußen schien die Abendsonne und wir
hatten Zeit uns zu unterhalten. Ich blättere im Gästebuch der Albergue und las
einen schönen Satz »Nur wo meine Füße mich hintragen, war ich wirklich«. In
diesem Satz ist viel Wahrheit. Wie arm waren doch die Buspilger. Fünfzig
Kilometer rasten sie an der schönen Landschaft vorbei, bevor sie die letzten
zehn Kilometer, nach Möglichkeit ohne große Steigung und ohne schlechte
Wegstrecke und vor allen Dingen ohne Gepäck, zu Fuß gingen. Wenn ich da an
unsere langen steil abfallenden Geröllwege denke, welche oft bis zu 33 Prozent
Gefälle hatten. Oder die kilometerlangen sumpfigen Tonwege, wo dicke Tonklötze
an unseren Schuhen klebten und jeden Schritt zur Qual machten. Erst in Finisterre
stellte ich nach einem starken Regen fest, dass ich hellbraune Wanderschuhe
habe. Geputzt wurden sie in den zweieinhalb Monaten kein einziges Mal. Wofür
auch, am nächsten Tag wären sie nach einer Stunde genau so schmutzig wie vorher
gewesen.
    Im Moment
knallte es draußen fürchterlich. Da wird sich bestimmt heute einer ins Unglück
gestürzt und geheiratet haben. Mal sehen, ob wir in den nächsten Tagen noch
bekannte Pilger treffen, es wäre sehr schön? Für morgen hatten wir uns etwas
Besonderes vorgenommen. Sollte ein Geschäft am Sonntag geöffnet haben, würden
wir uns eine Flasche Sekt kaufen, auf dem Kathedralsplatz hinsetzen und unseren
Abschied begießen. Ich denke der heilige Jakobus wird wohlwollend von oben auf
uns schauen, aber zuerst beendeten wir den heutigen Tag und gingen zu Bett. Es
war 22:00 Uhr und wir waren beide sehr müde.

Zweiter Tag in Santiago de Compostela
     
    Sonntag, den
19. Juni 2011
     
     
    D er Abend
gestern endete für uns noch sehr lustig. Kurz bevor wir zum Schlafsaal gingen,
sprach uns eine Niederländerin an. Sie war genau wie wir gestern angekommen,
hatte große Probleme mit ihren Füßen und konnte vor Schmerzen kaum noch gehen.
Trotzdem wollte sie heute mit dem ersten Bus nach Finisterre fahren, bis zum
Ende der Welt gehen und mit dem letzten Bus zurückkommen. »Ich muss das an
einem Tag schaffen, morgen geht mein Flieger. Ich war so lange unterwegs, dann
will ich auch am letzten Pilgerpunkt angekommen sein und wenn ich auf meinen
Strümpfen laufen muss. Wenn ich wieder zuhause bin, habe ich Zeit genug meine
Wunden auszukurieren.« Ja wir haben auf unserem Weg schon sehr starke Frauen
kennen gelernt, da können wir Männer uns noch eine Scheibe von abschneiden! Im
Schlafsaal hatte ich alle Vorhänge zugezogen, wir blieben drei Nächte und
mussten morgen nicht um acht Uhr die Albergue verlassen. Für morgen war langes
Schlafen angesagt. Kurz vor 22:30 Uhr, wir wollten uns gerade ausziehen, waren
noch zwei sehr alte spanische Frauen in unseren Schlafsaal angekommen. Oh mein
Gott, ob die wirklich in diesem Alter ein Stück des Pilgerweges zu Fuß gegangen
waren? Lautstark unterhielten sie sich im Dunkeln, als wenn sie ganz allein im
Raum wären. Die Ältere kam zu mir und fragte mich etwas,
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