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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel
Autoren: Heinz Hendrix
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Menschen kaum gekommen. Es war ein Kommen und Gehen. Um fünf Uhr in der
Früh machten die ersten sich schon Startbereit und nahmen auf die Schläfer
keine Rücksicht. Ein Teil ihrer Ausrüstung hatten Karl und seine Mitpilger in
einem Kloster in Puente la Reina zurück gelassen, weil ihre Rucksäcke einfach
viel zu schwer waren. Sie holten sie später vor ihrer Heimfahrt dort wieder ab.
Wenn Karl erzählte, lauschten wir gespannt. Das waren für uns Abenteuer pur.
Jeden Tag ein neues Ziel, einen unbekannten Weg zu gehen, 800 km durch fünf
spanische Länder, dabei gleichgesinnte Menschen aus aller Welt kennen zu
lernen, ohne vielleicht ihre Sprache zu verstehen, ein Ziel anstreben, ohne
vorher zu wissen was auf einem zukommt. So einen Weg einmal zu gehen, das könnte
auch einmal mein Traum werden. Bei vielen Fahrradtouren lenkte ich mein
Gespräch bei ihm immer wieder auf den Jakobusweg. Bei manchen Touren trafen wir
uns bei ihm und starteten ab seinem Haus unsere Tour. Zuerst gab es dann immer
einen Schnaps, danach eine Flasche Bier. So viel Zeit muss vorher sein, meinte
er. Der Motor musste zuerst vernünftig angeworfen werden. Ohne den würde die
Fahrradtour zu schwierig werden. Auch bewunderten wir seine herrliche
Waldanlage. Dann gab es auch schon seine ersten Späße. Manchmal zeigte er uns
in seiner Kellerbar auch seine Pilgerreiseuntensilien. Auf einer Wand hatte er
den Pilgerweg mit allen Stationen wo sie übernachtet hatten hängen. Darüber
seinen Pilgerstab mit einer Kalebasse aus einem getrockneten Kürbis. Er erzählte
uns, dass sie Wochen vor ihrer Abreise in den Wald gegangen waren und jeder
hatte sich einen Pilgerstock abgeschlagen und am unteren Ende mit einer
Eisenspitze versehen. Wie gerne wäre ich dabei gewesen. Da konnte man beim
zuhören schon neidisch werden. Mitte 2009 gründete ich eine Wandergruppe. Wir
wanderten alle vierzehn Tage Strecken zwischen acht und dreizehn Kilometer,
verbunden mit einem Mittagessen in einem Restaurant. Schon bei der ersten
Wanderung um vier Nettetaler Seen wanderten 18 Personen mit mir. Als Käthe und
Hartmund aus unserer Fahrradgruppe davon hörten, waren sie sofort begeistert
und waren bei der nächsten Wanderung dabei. Uschi und Winfred kamen aus Rheydt
zu uns, Ulrike und Willi aus Oderkirchen, Mia bei mir aus der Nähe brachte ihre
Tochter mit. Einige brachen ab, neue kamen dazu. Die geblieben sind, bilden
eine verschworene Gemeinschaft. Erste Freundschaften sind längst schon
entstanden. Wenn wir nach unseren Wanderungen durch wunderschöne Landschaften
zu Mittag eingekehrt waren, saßen wir oft noch manche Stunde zusammen und
hatten manchen lustigen Gesprächsstoff. Wie kann es da anders sein, dass ich
über meinen Traum sprach, einmal den Weg von Saint-Jean-Pied-de-Port nach
Santiago de Compostela zu gehen. Karl hatte manchmal erwähnt, dass er diesen
Weg gerne noch einmal gehen möchte. Ich gehe mit, so war meine stille Hoffnung
gewesen. Viele Jahre hatte ich diese Hoffnung. Irgendwann, im Herbst 2009
meinte er in einem Gespräch, das diese Strapazen für ihn mittlerweile doch zu
groß wären. Die ersten Wehwehchen wären schon da. Die Enttäuschung war für mich
riesengroß. Alle meine Vorfreude war vernichtet. Was er mit noch drei Bekannten
in vielen Monaten durchgeplant und dann durchgeführt hatte, war für mich als
Einzelperson nicht durchführbar. Als meine Niedergeschlagenheit am größten war,
sprach mich im Mai 2010 Helga aus meiner Wandergruppe an. Sie hätte großes
Interesse, mit mir diesen Weg zu gehen. Sie hätte schon seit 28 Jahren den
gleichen Wunsch. Ihr verstorbener Vater hatte damals zu ihr gesagt, wenn du
diesen Weg gehen willst, hast du unseren Segen, ich werde dir die Unkosten
bezahlen. Diesen Wunsch hatte sie auch, nachdem sie geheiratet und drei Kinder
bekommen hatte. Wenn du gehen willst dann gehe jetzt, so lange deine Kinder noch
im Kindergarten sind, wir werden sie schon versorgen, hatte er zu ihr gesagt.
Aber alleine diesen unbekannten Weg zu gehen, traute sie sich nicht zu. Leider
war ihr Vater viel zu früh für sie verstorben, der Wunsch diesen Weg zu gehen
aber war geblieben. Nun hatten wir beide den gleichen Wunsch, aber auch ein
großes Problem, wir waren beide verheiratet. Wie sollten wir das unseren
Ehepartnern klarmachen. Ich sprach zuerst mit meiner Frau darüber und sie
stimmte zu. Danach mit ihrem Ehemann und den Kinder. Auch sie stimmten zu.
Hurra, Santiago wir dürfen kommen! Unsere Planungen konnten beginnen.
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