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Winterzauber

Winterzauber

Titel: Winterzauber
Autoren: Mathilda Grace
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mit den Fotos aus meinem Kleiderschrank geholt, um sie zurück in der Küche auf den Tisch zu werfen.
    „Überzeug' dich selbst.“
    Was Wynn auch tat, nachdem er mich einige Minuten lang nachdenklich betrachtet hatte. „Das ist verrückt“, murmelte er, mit Blick auf Gabriels Bilder, hörbar überrascht und hob den Kopf, um mich anzusehen. „Nur damit du es weißt, ich kannte Gabriel nicht und wir sind garantiert nicht verwandt.“
    „Habe ich das behauptet?“, fragte ich grantig und drehte Wynn den Rücken zu, um mir etwas zu trinken einzugießen, obwohl ich auf einmal gar keinen Durst mehr hatte.
    „Nein, ich wollte es nur klarstellen, weil diese Ähnlichkeit verblüffend ist. Ich bin der einzige Sohn in meiner Familie und mein Vater hätte meine Mutter nie betrogen.“
    „Schön für dich.“
    „Logan...“
    „Ich gehe den Schnee wegräumen. Gute Nacht“, unterbrach ich Wynn mitten im Satz und flüchtete aus der Küche. Nur weg von seinem Gesicht mit den mitfühlenden Augen. Ich konnte es nicht ertragen. Ich konnte ihn nicht ertragen.
    Draußen angekommen griff ich nach dem Schneeschieber, um wenigstens die Veranda und den Weg zur Garage von der weißen Pracht zu befreien. Es dauerte keine fünf Minuten, da spürte ich durch die klirrende Kälte meine Finger kaum noch. Dafür spürte ich das Stechen in meinen Unterarmen umso deutlicher. Wetterumschwünge und Temperaturänderungen gefielen meinen Narben nämlich überhaupt nicht, sodass ich den Schieber schließlich abstellte und die Ärmel meiner Jacke ein Stück nach oben schob, um meine Narben zu kratzen. Erst links, dann rechts und am Ende beide Seiten auf einmal.
    „Hast du noch mehr davon?“
    Ich fuhr erschrocken herum. Wynn stand hinter mir, den Blick auf meine Arme gerichtet. Scheiße. Ich zog die Ärmel so weit ich konnte herunter. „Was geht dich das an?“
    „Selbstmordversuch?“
    „Nein“, zischte ich und musste mich zwingen, nicht wieder zu kratzen.
    „Lügner.“
    „Na und? Es geht dich nichts an.“
    „Sie jucken, oder? Durch die Kälte.“
    War der Typ taub oder einfach nur dickköpfig? „Was ist an, 'Es geht dich nichts an.', so schwer zu verstehen?“
    Wynn presste die Lippen zusammen und atmete tief durch, während er einen Moment die Augen schloss und mich dann umso eindringlicher ansah. „Mein bester Freund, Simon, hat sich mit siebzehn die Pulsadern aufgeschnitten, weil er dicker war, als die coolen Jungs seiner Schule das akzeptieren wollten. Ein paar Wochen vorher hatte ich die hier...“ Wynn deutete auf die kleine Narbe über seinem linken Auge, die mir bereits an ihm aufgefallen war. „...abbekommen, als ich wegen denselben Jungs in eine Schlägerei geriet.“
    Ich zählte zwei und zwei zusammen. „Du hast ihm gegen die Typen geholfen, oder?“
    Wynn nickte. „Ja. Willst du wissen, was ich getan habe, als ich erfuhr, dass er versucht hatte, sich umzubringen?“
    Ich dachte an den Streit mit Janosch. „Ihn angeschrien?“
    Wynn nickte erneut. „Simon hat nie wieder versucht sich umzubringen“, sagte er dann und verschränkte beide Arme vor der Brust. „Dein Bruder hat dich nicht angeschrien, oder?“
    „Nein“, gab ich zu und ärgerte mich sofort darüber.
    „Deshalb meine Frage, ob du noch mehr Narben hast. Und ich glaube, die Antwort ist 'Ja', was vermutlich weder Janosch noch Baxter wissen.“
    Dieser gottverdammte Mistkerl. Jetzt reichte es und zwar endgültig. „Um mal eins klarzustellen, Arschloch. Es geht dich einen Scheißdreck an, ob ich zwei oder zweihundert Narben habe. War das jetzt deutlich genug für dich, oder soll ich es dir aufschreiben?“
    „Nein, das war deutlich“, antwortete Wynn mit einem Blick, den ich nicht zu deuten wusste, bevor er den Schneeschieber nahm. „Geh' rein, ich mache den Rest.“
    „Ich kann das selbst.“
    „Habe ich das Gegenteil behauptet?“, konterte Wynn ruhig, obwohl ich das komische Gefühl hatte, dass diese Ruhe an ihm vorgetäuscht war. Er deutete auf die Tür, als ich ihn nur ansah. „Geh' endlich rein, Logan. Du bist total durchgefroren und ich will nicht, dass du dir deine Narben aufkratzt.“
    Ich wusste eigentlich, wann es besser war, nachzugeben, aber ich tat es nicht. Ich konnte nicht. Nicht bei diesem Mann, mit dem Gesicht eines Toten. „Mich hat das verfluchte Messer nicht umgebracht, da wird es ein bisschen Schnee auch nicht schaffen.“
    Ein Blinzeln später lag ich mit dem Rücken im Schnee und starrte vollkommen überrascht zu Wynn hoch,
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