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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)
Autoren: Brian Ruckley
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Schleiereulen-Arbeit.«
    Das war Orisian von Anfang an klar gewesen. Rothe hatte oft genug gegen die Kyrinin von Anlane gekämpft, um ihre Waffen zu kennen. Er warf einen Blick auf den hochgewachsenen Krieger, der seltsam angespannt wirkte.
    »Zeit für das Hornsignal«, sagte Rothe, während seine Blicke weiterhin prüfend umherschweiften. »Wir sollten uns hier nicht länger als unbedingt nötig aufhalten.«
    Naradin erhob keine Einwände. Er setzte das Horn an die Lippen und sandte einen lang gezogenen Ruf aus, der das Ende der Jagd verkündete.

    Am nächsten Morgen stand Orisian auf den Zinnen von Burg Anduran und betrachtete die grauen Wolken, die sich im Nordwesten um den Car Criagar sammelten. Der große Gebirgszug ragte bedrohlich über dem Tal des Glas auf, obwohl er nur ein Ausläufer des ausgedehnten Hochlands war, das sich unsichtbar dahinter erstreckte. Dort oben erhoben sich die Ruinen uralter, von ihren in Vergessenheit geratenen Bewohnern längst verlassener Städte. Heute lebte niemand mehr auf den felsigen Höhen.
    Er weilte jetzt seit vierzehn Tagen auf der Burg seines Onkels, und das Wetter hatte sich selbst in dieser kurzen Zeit drastisch verändert. Der Himmel hing schwer herunter, und das Land mit seinen Feldern und Wäldern wirkte düsterer als zuvor. Erde und Himmel wussten, was bevorstand, und fügten sich darein, indem sie die sanfteren Stimmungen des Herbsts abstreiften. In einigen Wochen würde Schnee fallen, selbst hier auf dem Talboden. Die Winterwende nahte.
    Es war nicht die verheißungsvollste Zeit für eine Geburt, aber das hatte die Feiern zur Ankunft des ersten Than-Enkels nicht getrübt. Sie hatten mehrere Tage lang gedauert und ihre Krönung in der Eberjagd gefunden. Nun, da alles vorbei war, hatte sich so etwas wie zufriedene Erschöpfung über die Burg und das Städtchen daneben gesenkt. Es war die Stille zwischen zwei Stürmen, denn die Begrüßung des Winters würde die vorangegangenen Festlichkeiten noch übertreffen, vielleicht nicht an Dauer, aber jedenfalls an Ausgelassenheit.
    Mit der Jahreswende kam für Orisian die Zeit, in die wellenumspülte Burg von Kolglas heimzukehren. Ein Keil Wildgänse zog mit rauem Geschrei über das Tal hinweg, dem Meer entgegen, als wollten sie ihm den Weg weisen. Eine Zeit lang blickte er ihnen nach. Er hatte sich hier herauf begeben, um noch einmal die Aussicht über das weite Tal zu genießen, das zum Herrschaftsgebiet seines Onkels gehörte. Kolglas besaß engere Horizonte, in mehr als einer Hinsicht.
    Der Klang von Schritten holte ihn in die Gegenwart zurück. Rothe tauchte in dem engen Treppenschacht neben ihm auf.
    »Die Pferde stehen bereit«, sagte der Gardehauptmann in seinem gewohnt barschen Tonfall. Wenn Orisian die Stimme des Kriegers hörte, musste er immer an Steine denken, die irgendwo in seiner Kehle aneinanderknirschten. »Euer Onkel wartet unten im Hof. Er will Euch Lebewohl sagen.«
    »Zeit zum Aufbruch also«, entgegnete Orisian. »Wir werden die Kälte auf dem Ritt nach Kolglas zu spüren bekommen.«
    Rothe lächelte. »Dagegen gibt es Feuer und warme Mahlzeiten.«
    Sie stiegen die Wendeltreppe hinunter und gelangten in einen geräumigen Innenhof mit Kopfsteinpflaster. Am Torhaus auf der gegenüberliegenden Seite hielten Stallknechte drei Pferde bereit, die dampfende Atemwolken in die Morgenluft bliesen. Kylane, der zweite Leibwächter Orisians, überprüfte mit betonter Sorgfalt noch einmal die Hufe der Reittiere, ohne sich darum zu kümmern, dass die Stallknechte dies übel vermerken könnten. Orisians Onkel, Than Croesan oc Lannis-Haig, stand dicht daneben.
    Croesan war gut einen Kopf größer als Orisian. Er beugte sich zu ihm hinunter und reichte ihm mit einem herzlichen Lachen die Hand.
    »Zwei Wochen sind zu kurz für einen Besuch, Orisian.«
    »Ich bliebe gern noch, aber ich muss zur Winterwende zurück in Kolglas sein. Vater wird das Krankenlager sicher bald verlassen.«
    Croesans Miene wurde ernst. Er nickte.
    »Die Melancholie ist tief im Wesen meines Bruders verankert. Nun, vielleicht hellt das Fest der Winterwende seine Stimmung ein wenig auf. Aber wie dem auch sei – lass du dir die gute Laune nicht von Kennets Trübseligkeit verderben, Orisian!«
    »Versprochen«, erwiderte Orisian, obwohl er wusste, dass er in diesem Punkt vielleicht nicht Wort halten konnte.
    Croesan klopfte ihm auf die Schulter. »Gut. Und richte ihm aus, dass er uns bald einmal besuchen soll. Könnte sein, dass es ein Ansporn für
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