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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)
Autoren: Brian Ruckley
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ihn ist, wenn er sieht, wie sich die Dinge hier entwickeln.«
    »Ich gebe deine Einladung weiter. Wo steckt eigentlich Naradin?«
    Die Frage zauberte erneut ein breites Lachen auf Croesans Züge, und für einen kurzen Augenblick war der mächtige Than nichts anderes als ein stolzer Vater und Großvater.
    »Er wird gleich hier sein. Ich soll dich aufhalten, bis sie kommen, damit sich auch mein Enkel von dir verabschieden kann, wie es sich gehört.«
    »Ich bin jedenfalls froh, dass die Jagd auf den Eber noch erfolgreich war.« Orisian lächelte. »Ich hoffe, der Kleine weiß das später einmal zu schätzen.«
    »Genau. Naradin wird ihn mit der Geschichte von eurer Heldentat langweilen, sobald er alt genug ist, sie zu verstehen. Der Junge wird dich und Naradin für die kühnsten Jäger halten, die das Glas-Tal je sah.«
    Die Vorstellung erheiterte Orisian. »Dann ist er bestimmt tief enttäuscht, wenn er mich jemals bei der Jagd sieht.«
    Croesan zuckte mit den Schultern. »Da wäre ich nicht so sicher. Bis er alt genug ist, um den Unterschied zu erkennen, hast du vermutlich die meisten meiner Jäger an Geschick eingeholt oder gar übertroffen. Im Übrigen kommst du doch zu seiner Namengebung, nicht wahr? Das bist du ihm schuldig, wenn du bei seiner Geburt anwesend warst.«
    »Gern, wenn ich es irgendwie ermöglichen kann«, sagte Orisian, und er meinte seine Worte ernst. Die Namengebung eines Kindes, das eines Tages als Than herrschen würde, war bestens dazu geeignet, die bedeutende Rolle des Hauses Lannis und seine engen Bande zu den übrigen Adelsfamilien zu unterstreichen. Nichts konnte eine ruhmreiche Geschichte und eine hoffnungsvolle Zukunft besser verkörpern, und nach den schweren Zeiten des Herzfiebers und der Erkrankung seines Vaters hatte Orisian beides zu schätzen gelernt.
    Naradin und seine Gemahlin Eilan tauchten vom Bergfried her auf. Der Titelerbe, der seinen Sohn in den Armen hielt, bewegte sich so vorsichtig und unbeholfen, dass es fast komisch wirkte. Er hatte noch nicht gelernt, unbefangen mit dem zerbrechlich wirkenden kleinen Wesen umzugehen.
    Croesan trat dicht an Orisian heran und flüsterte mit Verschwörermiene: »Kannst du es glauben, dass die beiden mich zum Großvater gemacht haben? Zum Großvater, Orisian!«
    »Ich kann es nicht einmal fassen, dass Naradin Vater geworden ist«, lächelte Orisian. »Geschweige denn, dass du jetzt einen Enkel hast.« Das war gelogen, musste er sich insgeheim eingestehen, oder zumindest geschwindelt. Naradin hatte, so lange er sich zurückerinnen konnte, darauf gebrannt, eine Familie zu gründen. Allerdings erwartete man das auch von einem jungen Mann, auf dessen Schultern die Zukunft eines ganzen Stammes ruhte.
    Eilan umarmte Orisian. Sie war eine schöne Frau, doch er schätzte sie vor allem wegen ihres sanften, großzügigen Wesens, das ihn stark an seine Mutter erinnerte.
    »Eine gute Reise, Orisian«, wisperte sie dicht neben seinem Ohr. »Und grüß deine Schwester von mir!«
    Naradin hielt Orisian den Säugling entgegen.
    »So, mein Kleiner«, sagte der Titelerbe. »Verabschiede dich von Orisian!«
    Der Winzling spähte verständnislos aus einem Nest weicher Decken und bewegte lautlos die Lippen. Ganz kurz war eine rosige Zungenspitze zu sehen.
    »Da!«, verkündete Naradin hochzufrieden. »Das hätte ich selbst nicht besser machen können.«
    »Wahrscheinlich nicht«, pflichtete ihm Orisian bei. »Pass gut auf ihn auf, und lass etwas von dem Eberfleisch für mich einpökeln! Wir sehen uns bei der Namengebung wieder.«
    Orisian schwang sich in den Sattel und tätschelte zur Begrüßung den kräftigen Nacken seines Pferds. Flankiert von Rothe und Kylane, ritt er durch das wuchtige Torhaus. Als er einen letzten Blick über die Schulter warf, standen Croesan, Naradin und Eilan immer noch im Hof und winkten ihm nach. Orisian hob ein letztes Mal grüßend die Hand. Dann wandte er sich mit seinen Begleitern nach Süden und hielt durch die belebten Gassen von Anduran auf die Straße zu, die ihn nach Kolglas und nach Hause bringen würde.

    Zu dem Zeitpunkt, da die drei Reiter die Stadtgrenze hinter sich gelassen hatten, stand Croesan oc Lannis-Haig an einem der höchsten Fenster im Wohnturm von Burg Anduran und beobachtete, wie die kleine Gruppe allmählich in der Ferne verschwand. Wie so oft empfand er ein leises Mitleid für Orisian, und wieder einmal stieg der vertraute Zwiespalt an Gefühlen in ihm hoch, den Kennet, der Vater des Jungen, in ihm
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