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Winterreise

Winterreise

Titel: Winterreise
Autoren: Gerhard Roth
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Anna auf ihm gesessen war. Mit den Traumfarben im Kopf stolperte er aus den Ruinen, über die holprigen Steine, er hörte wieder die Vögel, und auf einmal spürte er die Farben im Mund als angenehmes Gefühl, als ob sich sein Gaumen an sie erinnerte, und von dort stiegen sie in seinen Kopf hinter die Augen. Die Vögel zwitscherten. Rundherum erhoben sich die schwarzen Bergsilhouetten mit den zerrissenen Nebelfeldern. Auch die Matrosen begegneten ihm jetzt wie Kindheitserinnerungen. Auf einmal brach die Sonne durch, und die Häuser und die Mauern warfen zartfarbene Schatten. An einem Gemäuer war die Grundierung übriggeblieben, ein seltsam fernes Blau, das er ansah und in dem er plötzlich Leben erkannte. Er stieg das Amphitheater hinunter, das leer war, in die düsteren Gänge, wo weggeworfene Flaschen, Eisbecher, Coca-Cola-Dosen, Kaugummipapier und Zigarettenstummel lagen, und dann stand er in der Arena, hoch oben, auf den Stufen saß Anna zwischen gelbem, dürrem Gras, wie Pferdemähnen. Am Himmel zogen dunkle Regenwolken, die vom Vesuv kamen. Auch als er den Gendarmen verlassen hatte, waren die Wolken über seinen Kopf geströmt, und auf dem Weg vor dem Amphitheater wuchsen gelbe Blumen, in den Mauerritzen hockten Eidechsen. Die Matrosen hatten sich verlaufen. Sie gingen auf den Vesuv zu, der schwarz war und mit den Regenwolken aussah, als würde er ausbrechen.
15
    Die Villa del Misteri lag zwischen Früchte tragenden Zitronen- und Orangenbäumen. Eine Katze mit zerkratzter Nase streifte vor dem Eingang. Sie schmiegte sich an Annas Füße und miaute. Anna mußte das Kätzchen streicheln, und Nagl war allein im Haus. Er stand in einem dumpfen Raum, an dessen Wänden Figuren wie eine Fata Morgana des Todes erschienen. Stumm und groß, von mattgelber Farbe mit grünen und violetten Togen bekleidet, schwebten sie an der Wand aus Blut. Ein beflügelter Dämon war in dieser Welt erschienen, der eine Geißel hinter dem Kopf erhoben hatte und im Begriff war zuzuschlagen. Nagl sah den beflügelten Dämon an, bis er selbst zu schweben glaubte. Er ging zurück – durch den schwarzen Vorraum mit zartschimmernden grünen Pflanzen und weißen Reihern – an den Tag, die Sonne schien und es regnete, helle Tropfen fielen raschelnd ins Gras auf die Pinien. Ein Bauer pinkelte zwischen Weinstöcken, einer kam ihnen entgegengelaufen, die Jacke über dem Kopf, und in der rasenden Bahn nach Neapel sah Nagl einen Regenbogen am schwarzen Himmel, der vom Vesuv in die Orangengärten fiel, während Anna an seiner Schulter schlief.
16
    Sein Gesicht lag auf der Innenseite eines Oberschenkels. Er öffnete die Schamlippen und blies den Atem aus. Er wollte, daß sie sein Atemgeräusch hörte, und blies weiter und zog die Schamlippen so weit auseinander, als es möglich war. Auf dem Nachtkästchen lag der Witwenhut, daneben stand die Weinflasche. Nagl griff nach der Weinflasche und zog den Korken heraus. Inzwischen leckte ihn Anna, daß er zu stöhnen begann. Er nahm einen Schluck aus der Flasche und spritzte den Wein in sie. Anna hörte auf, ihn zu lecken und lehnte sich zurück. Sie genoß es, wie er den Wein aus ihr saugte und ihren Kitzler rieb. Sie war so erregt, daß sie sich auf die Beine eines umgelegten Sessels setzte. Sie hatte den Rücken durchgedrückt, die Schenkel waren gespreizt, und eine Haarsträhne hing in ihr Gesicht. Er griff nach ihren Brüsten und legte sich mit dem Kopf zwischen die Sesselbeine. Er sah alles ganz groß, und wenn er nach vorn sah, sah er ihre Brüste und die Brustwarzen in der Luft. »Schau herunter«, bat er. Sie beugte sich vor und sah zwischen ihre Schenkel auf sein Gesicht, ihr Gesicht war jetzt verändert, da sie hinunterblickte und Blut sich in ihm ansammelte. Sie setzte sich wieder auf, ließ ihren Kopf nach hinten fallen und schien in sich zu horchen, als er ihren Kitzler rieb. Nagl rutschte aus dem Sessel hervor und sah ihr verzücktes Gesicht und ihre geschlossenen Augen. Er mußte immer ihr Gesicht sehen, wenn er erregt war. Sie hatte ihre Augen zumeist geschlossen, ihre Nasenflügel zitterten, ihre Lippen waren geöffnet und manchmal streckte sie die Zunge aus dem Mund. Sie legten sich auf das Bett und liebten sich, bis sie vor Erschöpfung einschliefen.
17
    Das Meer vor dem Castell d’Ovo war dunkel, und in der Ferne erhob sich die Silhouette von Capri aus dem Meer. Drei fette Möwen saßen gelangweilt auf einem Eisengländer. Nagl setzte sich in ein Restaurant, vor dem ungedeckte Holztische
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