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Winternacht

Winternacht

Titel: Winternacht
Autoren: Yasmine Galenorn
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Nacht ist voll von Raubtieren. Stürm nicht einfach hinaus, ohne dich zu vergewissern, dass wir anderen bei dir sind.« Seine Stimme klang verführerisch, aber seltsamerweise auch beschützend.
    Ich wandte den Kopf, um ihn anzusehen: Lannan Altos mit seinen tiefschwarzen Augen, die im Dunkeln leuchteten, und dem goldenen Haar, das ihm bis über die Schultern fiel. Er war atemberaubend und schrecklich, und seine Finger blieben einen Moment zu lang auf meiner Haut. Ich versuchte zu ignorieren, dass sich mir bei seiner Berührung der Magen hob.
    »Okay, guter Punkt.« Ich war tatsächlich so begierig gewesen, zum Haus zu laufen, dass ich fast den Kopf verloren hätte, und den Kopf zu verlieren konnte leicht dazu führen, auch das Leben zu verlieren. In den vergangenen Jahren hatte ich häufig Situationen erlebt, in denen reflexartig gehandelt werden musste. Doch hier hieß es, sich Zeit zu nehmen, genau nachzudenken. Die Jäger, die sich an unsere Fersen geheftet hatten, waren weit, weit tödlicher als jeder Vergewaltiger, jeder Junkie oder jeder Cop auf der Straße.
    Also lehnte ich mich zurück und betrachtete das Haus durch die Windschutzscheibe. Hinter dem dreistöckigen viktorianischen Haus befand sich der Goldene Wald, der sich bis zum Vorgebirge der Cascades erstreckte. Doch der warme Schimmer, den die Sommerkönigin einst über das Gehölz gelegt hatte, war nur noch eine Erinnerung, denn nun hatte Myst es mit ihren Spinnen und dem Schnee eingenommen. Die Baumkronen umgab ein krankes, grünlich blaues Licht, und ich begann zu zittern. Zwischen den Stämmen lauerte das Böse, und die Finsternis war gnadenlos.
    Ich schloss meine Augen und rief nach Ulean. Sie war ein Elementar – die Essenz des Windes – und mit meiner Seele verbunden, und wir beide arbeiteten als Team.
    Kannst du etwas spüren?
    Ihre Worte waren wie ein Windstoß in meinem Bewusstsein. Ja. Zwei Vampirfeen sind hinter dem Haus auf der Jagd. Wenn du dich anschleichen willst, kann ich verhindern, dass dein Geruch dir vorauseilt.
    Noch etwas, was ich wissen sollte?
    Sie ist da draußen, tief im Wald, und webt ihren Zauber. Sie hat Hunger, und sie ist wütend. Du hast dir Grieve zurückgeholt, und sie will dein Blut und deine Seele. Myst wird immer stärker, der Winter immer strenger.
    Ich nickte, dann wandte ich mich an die anderen. »Zwei Schattenjäger auf der anderen Seite. Ulean vertreibt unsere Witterung, aber bereitet euch darauf vor, sie auszuschalten. Keine Gefangenen, keine Überlebenden.«
    Keine Gefangenen. Das war unser Motto geworden. Aber an das Töten musste ich mich noch gewöhnen. Mörder war kein Beiname, der leicht auf meiner Seele wog, aber es war, wie es war, und Myst war, wie sie war, und ich dachte ja gar nicht daran, in dem tödlichen Spiel namens Wir oder sie mich oder einen meiner Freunde zu opfern.
    Lautlos verließen wir das Auto, und ich reckte lauschend den Hals. Mein Vater tat dasselbe, während Kaylin und Lannan Wache standen und sich auf möglichen Ärger einstellten.
    Ein Windstoß jagte heulend vorbei, und ich ließ mich in den Windschatten hinab. Ein Wispern durchdrang mein Bewusstsein, und ich lauschte. Es war nicht Ulean.
    Was hast du gefunden? Gibt es noch Leben im Haus?
    Und die Antwort: Kein Fleisch. Kein Leben. Nichts Wichtiges. Nur Plunder. Nichts, was sie wollen könnte.
    Die Schattenjäger. Und wahrscheinlich suchten sie nach unseren Katzen, weil sie Hunger hatten. Aber um sie mussten wir uns keine Sorgen machen. Es war uns gelungen, alle vor den Flammen und den herabstürzenden Balken zu retten, und nun befanden sie sich gesund und munter bei Luna im Lagerhaus.
    Ich wandte mich zu den anderen um. »Wir gehen rein. Und holen sie uns. Wrath, kannst du deine Eulengestalt annehmen? So kannst du sie überraschen.«
    Mein Vater nickte und entfernte sich ein paar Schritte von uns. Er begann zu leuchten, und seine Gestalt verschwamm, dann hob er die Arme, die sich in gefiederte Schwingen von fast zwei Meter Spannweite verwandelten. Nun veränderte sich sein Körper und schrumpfte, und schließlich stand er dort, der Uhu, majestätisch und wunderschön, das Sinnbild von Anmut und tödlicher Gefahr.
    Ich sog scharf die Luft ein, und mein Blut geriet in Wallung, als es auf seins reagierte. Neben mir stieß Kaylin einen Laut aus. Lannan versteifte sich und betrachtete meinen Vater fast zu interessiert. Seine Obsidianaugen glitzerten, während er die Metamorphose beobachtete.
    Wrath schwang sich in die Luft und zog
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