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Winternacht

Winternacht

Titel: Winternacht
Autoren: Yasmine Galenorn
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meiner Taille. Er ließ los, nur um mein Handgelenk zu packen, und als sein Finger meine Haut liebkoste, empfand ich erneut den unwillkommenen Funken meiner eigenen Begierde in den Eingeweiden.
    »Benimm dich, Cicely. Oder brauchst du vielleicht doch noch eine Lektion in Etikette?« So sanft seine Stimme klang, die Drohung war deutlich.
    Das matte Licht der Taschenlampe ließ sein Haar leuchten, als ob seinen Kopf ein Heiligenschein umgab. Eine Erinnerung flammte auf – ich, die ich ihn im Blutfieber meinen Engel der Finsternis genannt hatte –, und ich stöhnte auf. Ich bewegte mich auf verdammt dünnem Eis. Inzwischen hatte ich schon genug von Lannans kranken Lektionen lernen dürfen.
    Lannan beobachtete mich genau, und sein Entzücken stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Du denkst daran, wie ich in dir war. Wären wir bloß nicht unterbrochen worden. Hätte ich es zu Ende gebracht, wärst du nun mein. Ja, dein Widerstand spornt mich erst recht an. Aber du wirst wohl zugeben müssen, dass ich ein nützlicher Verbündeter geworden bin.«
    Ich stieß langsam und kontrolliert den Atem aus und nickte. »Ja, vielleicht. Aber ich traue dir nicht.«
    »Gut. Du solltest niemandem trauen. Ich habe auch nie verstanden, wie du Leo trauen konntest. Er hat sich bei Geoffrey derart eingeschleimt, dass bei dir eigentlich sofort alle Alarmglocken geschrillt haben müssten. Er tut letztlich nur, was seine Natur von ihm verlangt.«
    »Jetzt hör auf damit. Und nimm nicht die ganze Zeit Leo in Schutz.«
    Lannan schnaubte. »Mädchen, wenn Geoffrey ihm gibt, was er will, dann sollte deine Cousine am besten nachts ihre Tür verrammeln, denn er wird auf jeden Fall zu ihr kommen. Ich kenne diese Typen, glaub mir.«
    »Wenn er ihr etwas antut, verzeih ich ihm das nie.« Falls Leo sich an Rhiannon heranzumachen versuchte, würde ich ihn eigenhändig umbringen.
    Lannan tippte mir mit dem Zeigefinger unters Kinn, so dass ich ihn ansehen musste. »Cicely, meine Süße, falls Geoffrey ihn verwandelt, wird sich Leo um deine Vergebung einen feuchten Kehricht kümmern. Vampire haben weder das Bedürfnis nach Wiedergutmachung, noch besteht für sie eine Notwendigkeit dazu. Ich bin, was ich bin. Raubwesen. Dein Meister. Und ich bereue nichts von dem, was ich in meinem bisherigen Leben getan habe. Außer vielleicht, dass ich Regina zurücklassen musste. Dass meine wunderschöne Schwester noch bei Geoffrey ist … Ich fürchte um ihre Sicherheit, obwohl sie die Gesandte des Karmesin-Hofs ist.«
    Ich machte mich von ihm los und trat gegen einen Schutthaufen. Hier war nichts mehr von Wert zu finden. »Du musstest es tun. Du hattest keine Wahl.«
    »Und jetzt kommst du zu meiner Verteidigung? Du verwirrst mich, meine Liebe. Vielleicht hast du recht, vielleicht nicht. Aber wenn du hier fertig bist, sollten wir verschwinden. Da kommen dein Vater und Kaylin.« Und von jetzt auf gleich war er wieder kühl und geschäftsmäßig.
    Wir schleppten hinaus, was wir an Taschen und Kisten gefunden hatten, verstauten alles im Wagen und machten uns auf den Rückweg zu dem Lagerhaus, in dem wir vorübergehend untergekommen waren. Die ganze Fahrt über beugte sich Lannan zu mir nach vorn, und seine Hand lag auf meiner Schulter.
    Ich wusste, dass Wrath und Kaylin uns beobachteten, aber ich konnte Lannan ohnehin nicht daran hindern, zu tun, was immer er wollte. Er war ein Verbündeter, den wir brauchten, und wenn ich mich ihm widersetzte, würde er nur einen anderen Weg finden, mit meinem Verstand zu vögeln. Und das war so ziemlich das Letzte, was ich im Moment gebrauchen konnte.

2. Kapitel
    A ls wir beim Lagerhaus eintrafen, hatte ich meine Fassung halbwegs wiedergewonnen. Wir hatten darauf geachtet, dass uns niemand folgte, und nun fuhr ich um den Komplex herum zur Rückseite, wo ich den Wagen hinter dem Wrack eines alten Schulbusses abstellte.
    Ich schaltete den Motor aus und lehnte mich erleichtert zurück. So sehr ich mich nach dem Haus der Schleier zurücksehnte, so war das hier doch das, woran ich gewöhnt war: ein Leben auf der Flucht, in verlassenen Gebäuden unterschlüpfen, selbst im Schlaf immer ein Auge offen halten. Vielleicht war ich einfach nicht für ein normales Leben gemacht. Vielleicht war ich dazu bestimmt, immer in Bewegung zu bleiben.
    Als wir unsere Beute zum Hintereingang schleppten, den Kaylin mit einem Gewirr aus Brettern und Planken, einem Stapel alter Reifen und verschiedenen stillgelegten Fahrzeugen getarnt hatte, öffnete Peyton uns die
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