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Winternacht

Winternacht

Titel: Winternacht
Autoren: Yasmine Galenorn
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bestimmt nicht freiwillig zum Futterdienst melden.
    »Das glaube ich kaum.« Luna verdrehte die Augen. »Das bedeutet, dass alle, die nichts gegen Fisch haben, jetzt auch Thunfisch essen können. Aber wir werden es als allerletzten Vorrat aufbewahren, und ich warne dich vor«, fügte sie an mich gewandt hinzu. »Wir sorgen dafür, dass dein Essen mit nichts in Berührung kommt, was Fisch in sich haben könnte.«
    Das war nicht gerade beruhigend, aber ich wusste, dass sie essen mussten, was immer zur Verfügung stand, wenn alle Stricke rissen.
    »Hoffen wir, dass es erst gar nicht dazu kommt.« Ich sah durch die letzten Taschen. »Gut. Jemand hat Der Aufstieg des Indigo-Hofs und Die Geschichte der Vampirnation eingepackt.« Die Worte waren schon aus meinem Mund, bevor mir wieder einfiel, dass Lannan ja jetzt bei uns war. Mein Kopf fuhr hoch. Er stand mit verschränkten Armen da, einen Fuß auf einen Stuhl gestemmt, und sah mich mit zur Seite geneigtem Kopf an. Seine Lederhose glänzte matt im trüben Licht der Tischlampe.
    »Sieh an … Ihr habt also ein Exemplar unserer Geschichte. Aber du bist dir darüber im Klaren, dass es nicht besonders weise ist, das in meiner Anwesenheit zu verkünden, hm?«
    »Tut mir leid.« Meine Unbedachtheit hatte mich schon mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht.
    Lannan kam auf mich zu, und ich wich zurück, bis ich mit dem Rücken an der Wand stand. Er nahm mir das Buch ab und blätterte es durch, sah mich jedoch immer wieder zwischendurch an. Ich hatte keine Ahnung, wie Vampire lasen, da sie ja rein schwarze Augen hatten, in denen nichts Weißes zu sehen war, aber dass sie lasen, stand fest. Lannan war tatsächlich Professor am New Forest Konservatorium, obwohl ich den Verdacht hatte, dass er seine Position mehr als nur einmal missbraucht hatte.
    Mit einem tiefen Knurren verwandelte Grieve sich in einen Wolf, der sich zwischen den Vampir und mich schob. Peyton und Luna schnappten erschreckt nach Luft. Wrath versteifte sich, als Kaylin unwillkürlich einen Schritt nach vorn tat. Doch Lannan starrte das Tier nur an, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Mir stockte der Atem. Grieve war richtig sauer. Zorn war nicht der einzige Grund, warum er sich in einen Wolf verwandelte, doch Lannan hatte die richtigen Knöpfe gedrückt: Grieves Territorialinstinkt war erwacht. Er fixierte den Vampir und drängte ihn langsam weg von mir, und ich machte mich bereit, mich zwischen die beiden zu werfen, falls es notwendig werden würde. Doch dann kam Wrath mir zu Hilfe.
    »Altos, leg das Buch weg. Lass gut sein. Grieve – zurück. Der Vampir wird unserer Cicely heute Abend nichts mehr tun.« Es war ein Befehl, keine Feststellung.
    Lannan wandte sich zu meinem Vater um und starrte ihm in die Augen. Nach einem Moment zuckte er mit den Achseln und ließ das Buch absichtlich zu Boden und mir vor die Füße fallen. »Es spielt keine Rolle, ob ihr es habt oder nicht. Eure Rasse hat gegen unsere ohnehin kaum eine Chance, also viel Spaß beim Lesen. Vielleicht lernt ihr ja sogar endlich, wie man uns mit dem gebührenden Respekt begegnet.«
    Er schlenderte an Grieve vorbei, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen. Grieve kehrte in seine Feengestalt zurück, aber ich spürte sein Grollen in meiner Tätowierung. Chatter streckte die Hand aus, berührte Grieves Arm und schüttelte warnend den Kopf. Grieve sah ihn wütend an und stieß seinen Arm weg, tat aber nichts.
    Cambyra-Feen waren Gestaltwandler. Mein Vater gehörte zum Eulenvolk, und obwohl ich nur ein Halbblut war, konnte auch ich mich in eine verwandeln. Grieve konnte eine Wolfsgestalt annehmen, und Chatter, wie ich erst kürzlich herausgefunden hatte, war in der Lage, sich in eine Feuersäule zu verwandeln.
    Als Krystal mich dem Haus der Schleier entrissen hatte, war ich zwar noch klein gewesen, aber schon damals hatte ich in meinen Träumen einen Wolf gesehen, der über mich wachte. Als ich vierzehn war, begann ich ihn in den Schatten zu sehen und hielt ihn für eine Art Schutzengel, da ich damals noch nicht wusste, dass Grieve auch eine Wolfsgestalt besaß. Eines Abends, etwa ein Jahr später, als Krystal unterwegs gewesen war, um anzuschaffen, hatten Dane – der damalige Freund meiner Mutter – und ich uns vollkommen zugedröhnt. In diesem Zustand hatte ich ihn gebeten, mir meine Traumvision auf den Bauch zu tätowieren.
    Dane hatte mir vorher schon Bilder gestochen: Auf meiner linken Brust spähte ein wildes Feenmädchen durch ein tödliches
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