Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond
Autoren: Tanja Heitmann
Vom Netzwerk:
Verwandten geerbt hat.«
    Im letzten Augenblick schluckte Meta die ungläubige Frage, die ihr schon auf der Zunge lag, wieder hinunter. Die Gesichter ihrer Freundinnen verrieten sowieso die Antwort. Eves Mund glich nach wie vor einem Strich, was nichts anderes bedeutete, als dass Meta nur bekommen hatte, was sie verdiente. Während Sue mit dem Fingernagel die Kanten des Tisches abfuhr, schaute Marie sie unverändert mit sorgenvoller Miene an.
    Wie nett, dachte Meta. Und damit kommen sie mir erst jetzt, nachdem wir den ganzen Abend miteinander verbracht haben.War es ihnen die Stunden zuvor entfallen? Oder haben sie mein Gesicht nach Spuren abgesucht, ob ich es nicht vielleicht schon wusste? Obwohl es ihrem Stolz zuwiderlief, nahm sie die frische Margarita an, die Sue fürsorglich geordert hatte, und trank sie aus. Ihr Magen zog sich kurz und schmerzhaft zusammen, aber dann war auch er zu betrunken, um sich weiter zu beschweren.
    »Karl kann sich amüsieren, mit wem er will. Schließlich sind wir zurzeit kein Paar.« Herausfordernd schob Meta das Kinn vor, aber selbst in ihren Ohren klangen diese Worte nach kindischem Trotz. Schlimmer jedoch war, dass sie ihre Verletztheit nur schlecht verbergen konnte.
    »Nun, das tut er ja auch ausgiebig, wie man so hört«, erklärte Eve mit einem schnippischen Ton, für den Meta ihr nur allzu gern den Cocktail über den Kopf gegossen hätte, wenn davon noch etwas im Glas gewesen wäre.
    »Wir wollten nur vermeiden, dass du es hintenherum erfährst. Außerdem war es uns wichtig, herauszufinden, ob dich Karls Affäre nicht allzu sehr belastet.« Während Sue sprach, widmete sie die ganze Aufmerksamkeit ihren Fingernägeln,  unter denen offensichtlich ein Splitter vom Tisch hängen geblieben war. Dabei übertönte ihre im Auktionshaus geschulte Stimme spielend leicht den Geräuschpegel des Restaurants, einer Mischung aus Salsamusik, Geschirrgeklapper und Gesprächsfetzen.
    Wahrscheinlich haben euch Karls Affäre und meine Unwissenheit die Feierabende am Telefon versüßt, dachte Meta bissig. Doch im nächsten Augenblick schossen ihr Tränen in die Augen, und als Marie ihr tröstend übers Haar strich, hätte Meta sich fast gehenlassen. Wie leicht wäre es gewesen, einfach zu weinen und sich von ihren Freundinnen beschwichtigende Worte ins Ohr flüstern zu lassen, während sie ihr den Rücken tätschelten. Wie gut hätte ihr das Gefühl von Nähe und Vertrautheit getan, genau wie die Bestätigung, dass sie unter Karls Herzlosigkeit leiden durfte, ganz gleich, ob sie nun ein Paar waren oder nicht. Doch Meta kannte ihre Freundinnen zu gut und zu lange und erriet daher mühelos ihre Meinung zu diesem Thema: Ein Mann wie Karl gehörte an die lange Leine, und Meta standen überbordende Gefühle nicht gut zu Gesicht.
    Als wolle sie Metas Überlegungen bestätigen, sagte Marie sanft: »Es ist ja so, wie du sagtest: Karl und du - im Augenblick seid ihr kein Paar.«
    »Ja«, erwiderte Meta leise und ärgerte sich über das Zittern in ihrer Stimme. Ohne einen weiteren Kommentar abzuwarten, stand sie auf und griff nach ihrer Clutch, um ein paar Geldscheine hervorzuholen. »Nehmt es mir nicht übel, aber ich möchte jetzt gehen.«
    »Warte«, sagte Marie und versuchte, eilig aufzustehen, aber ihr hautenger Rock machte ihr einen Strich durch die Rechnung. »Wir können uns doch ein Taxi teilen, so wie sonst auch immer.«
    Meta war bereits auf dem Weg in Richtung Ausgang. »Lass  nur. Die Nacht ist schön, und ich will noch ein paar Schritte laufen.«
    »Laufen? Das ist doch wohl nicht dein Ernst.«
    Meta ignorierte das ungläubige Schnaufen ihrer Freundinnen und eilte aus der Tapas-Bar.
    Die Nacht war wirklich schön. Zwischen den Straßenschluchten hatte sich die Wärme des Tages gehalten, aber zu dieser späten Stunde ging ein leichter Wind, der die vielen erhitzten Nachtschwärmer ein wenig abkühlte. Alle Gedanken beiseitedrängend, tauchte Meta in die Menge ein und ließ sich treiben. Die vielen funkelnden Lichter fesselten sie, sorgten jedoch zugleich dafür, dass ihr zusehends schwindliger wurde. Ihre Sinne überschlugen sich, und inmitten des ausgelassenen Trubels sehnte sie sich plötzlich nach Halt. Halt, den es in ihrem Leben nicht gab, obwohl sich nach außen hin alles in perfekten Bahnen bewegte. Ihre Vorzeigefamilie, ihr spannender Beruf als Galeristin, Karl, der sicherlich bald wieder an ihre Türe klopfen würde.
    Bevor das Unglück der letzten Wochen auf sie einstürmen konnte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher