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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond
Autoren: Tanja Heitmann
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Meta sie unauffällig abzulecken versuchte, blieb sie hartnäckig an Ort und Stelle. Es fühlte sich glatt an, wenn Meta mit der Zungenspitze darüberfuhr. Kandiert - viel besser als jeder Nachtisch, der auf der Speisekarte des kleinen Restaurants gestanden hatte.
    Meta lachte leise in sich hinein und legte im nächsten Moment schützend die Hand vor den Mund. Wenn eine ihrer Freundinnen mitbekommen sollte, dass sie beschwipst genug war, um albern zu kichern, würden sie sie kurzerhand ins nächste Taxi setzen. Aber allein nach Hause zu fahren, war so ziemlich das Letzte, was Meta sich an diesem Abend wünschte. Nein, sie wollte hierbleiben, die flirtenden Menschen beobachten und noch mehr Cocktails trinken.
    Es war schon seltsam, dass dieses mondäne Vierer-Kleeblatt von Freundinnen ausgerechnet in einer Tapas-Bar gelandet war. Auf die rot getünchten Wände waren Kakteen gemalt, deren Umrisse unter der Sonnenglut flimmerten. Wer auch immer dieses Kunstwerk zustande gebracht hatte, hatte genau gewusst, was er tat. Diese Meinung behielt Meta allerdings tunlichst für sich, denn die drei anderen Frauen hatten sich erst nach mehreren Gläsern Wein mit dieser doch recht gewöhnlichen Umgebung abgefunden. Es war auch nicht besonders hilfreich gewesen, dass die anderen Gäste keine Chance ungenutzt hatten verstreichen lassen, um die edel gekleideten Freundinnen ungeniert zu mustern. Oder dass sie die Frauen amüsiert dabei beobachteten, wie sie kerzengerade auf den Holzstühlen saßen und ihr Essen weitgehend unangetastet wieder zurückgehen ließen. Nicht, dass es etwas an der Tapas-Auswahl zu mäkeln gegeben hätte - sie war nur schlicht und ergreifend tödlich für jede schlanke Linie.
    Die Galerie-Eröffnung, die die vier Frauen zuvor besucht hatten, hatte sich als gnadenlos überlaufen entpuppt.Was sich kaum anhand der ausgestellten Werke erklären ließ - Pyramiden von kleinen blauen Plexiglasschachteln mit verderblichem Zeug im Inneren, das sicherlich schon bald unangenehm riechen würde. Dass die Gäste trotzdem dicht an dicht standen und sich nach einigen Gläsern Sekt nicht mehr sonderlich darum kümmerten, wenn sie die Kunstwerke umstießen, hatte sicherlich viel mit der Lage der neuen Galerie zu tun: Sie war im Herzen einer der lebendigsten Amüsiermeilen der Stadt eröffnet worden. Das Paar, das die Galerie leitete und selbst der Künstlerszene entstammte, hatte sich zu diesem Einfall gratuliert, denn in diesem Viertel mussten sie kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie die Ausstellungsräume erst zur Dämmerstunde öffneten - vorher ließ sich hier sowieso kein Mensch blicken.
    Nachdem die vier Frauen sich mit allen Gästen, die von Bedeutung waren, über die laute Musik hinweg angeschrien hatten, war beschlossen worden, sich in eins der vielen kleinen Restaurants dieser Straße zu flüchten. Dabei fühlte sich der Besuch dieser Tapas-Bar wie das Betreten von Neuland an und zeigte Meta nur, wie sehr sie und ihre Freundinnen sich in den letzten Jahren zu Snobs entwickelt hatten. Sie selbst hatte sich dabei erwischt, wie sie kritisch den Holzstuhl begutachtet hatte, bevor sie sich mit ihrem hellen Seidenkleid darauf niederließ. Die Nächte, in denen sie Bier aus Flaschen  in irgendwelchen Hinterhäusern getrunken hatte, wo sich mittellose Künstler herumtrieben, waren nicht nur passé, sondern auch schon eine ganze Weile her.
    Es ist wirklich mal an der Zeit für ein wenig Abwechslung, dachte Meta, während sie unauffällig Salzreste vom Glasrand leckte. Immer nur schicke Restaurants und zu Tode geplante Dinners bei Bekannten, deren Wohnungen mit jedem Jahr mehr wie Ausstellungsräume aussahen, war auf die Dauer doch nicht das Wahre.
    Derartig beschwingt, ließ Meta sich dazu hinreißen, Eve, deren gelangweilter Blick sie gerade streifte, ein Lächeln zu schenken. Einen Moment funkelte so etwas wie Abneigung in Eves sorgfältig geschminkten Augen auf, dann erwiderte sie das Lächeln und rückte mit ihrem Stuhl näher. Marie und Sue, die gerade in einer mit vielen Ausrufezeichen versehenen Unterhaltung versunken waren, sahen gleichzeitig auf.
    Als Eve sich über die Stuhllehne zu ihr hinüberbeugte, bereute Meta ihre Charmeoffensive sofort. Denn in einem Augenblick von Aufrichtigkeit musste sie sich eingestehen, dass sie schon ordentlich angetrunken war und sich deshalb viel lieber hätte weiterhin treiben lassen, als sich mit der scharfzüngigen Eve auseinanderzusetzen. Außerdem fühlte sie sich unwohl,
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