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Winterland

Winterland

Titel: Winterland
Autoren: Åke Edwardson
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geantwortet. Das ging ihm an die Berufsehre.
    »Sie haben gesagt, sie hätte kürzlich noch trainiert«, bemerkte ich. »Wie kurz vor ihrem Tod?«
    »Na ja, es könnte sein, dass sie ab und zu mal eine Trainingsrunde eingelegt hat, aber ich wage zu behaupten, dass sie ihre aktive Karriere bereits hinter sich hatte.«
    »Wie lange schon?«, fragte Munter. »Kann man so etwas messen?«
    »Ja«, antwortete der Arzt.
    »Dann würden wir vielleicht herausfinden, welchen Sport sie ausgeübt hat«, meinte Munter.
     
    Während wir auf die Ergebnisse der Untersuchungen in der Gerichtsmedizin warteten, nahmen wir mit allen Sportverbänden im ganzen Land Kontakt auf, und zwar nicht nur mit denen für Leichtathletik. Wir baten um die Verzeichnisse von allen Aktiven der vergangenen zehn Jahre, was entsetzlich viel Papier ergab. Es gab einfach furchtbar viele Sportarten. Von manchen hatte ich noch nie gehört. Wir sahen ein, dass das zu viel Arbeit war.
    »Ich hoffe bei Gott, dass es Leichtathletik ist«, meinte Munter. »Das ist ein Sport, der im Rückgang begriffen ist. Da gibt es nicht mehr so viele Aktive.«
    »Wenn es überhaupt so eine Sportart ist«, gab ich zu bedenken. »Sie könnte ja auch ganz einfach nur trainiert haben. Krafttraining.«
    »Wir sind doch im Fitness-Studio in der Stadt gewesen«, entgegnete Munter.
    »Sie könnte doch ganz für sich allein trainiert haben«, meinte ich. »Vielleicht hat sie das schon immer getan.«
    Ein weiteres Problem, das sich uns stellte, war, dass der Körper, der unter dem kalten blauen Licht des Leichenschauhauses lag, besondere Kennzeichen vermissen ließ. Es war ein normaler, gut trainierter Körper. Und ich musste immer wieder denken, wie fürchterlich nichts sagend ein Menschenkörper ohne Kopf war.
    Mit einer großen und schrecklichen Ausnahme: Der Mörder hatte ein Stück Haut aus der linken Wade der Frau geschnitten.
    »Das war sicher eine Tätowierung«, sagte Munter und sah mich an.
    »Vielleicht«, meinte ich.
    Munter hatte seine Zigarette ausgewechselt und die verbrauchte in eine Nierenschale gelegt, die er mit hereingebracht hatte.
    »Und wo zum Teufel ist denn jetzt Annie Lundberg?«, fragte er und ließ die Zigarette aus dem Mund direkt in das Schälchen fallen.
    Wir hatten landesweit Alarm geschlagen, aber es kam nichts. Es war einfach unbegreiflich, warum Annie Lundbergs Tasche neben der Toten gelegen hatte. Das hatte der Mörder offenbar bezweckt. Warum? Wollte er uns etwas sagen? Etwas über Annie Lundberg? Oder etwas über die unidentifizierte Tote?
    Würde Annie Lundberg das nächste Opfer werden?
    War sie es bereits?
    Wir waren Annies ganzes Leben und alle ihre Bekanntschaften durchgegangen, aber immer noch keinem Sportler begegnet. Außerdem gab es noch frühere Kommilitonen von der Hochschule, die wir aufsuchen mussten. Und dann wussten wir noch gar nichts über Freunde oder … Freundinnen. Birgitta Sonesson hatte gesagt, Annie Lundberg sei bisexuell. Vielleicht hatte sie ja mehrere Partner gehabt. Oder war das ein Vorurteil?
    Für ihre Eltern war die Bisexualität ihrer Tochter offenbar etwas ganz Neues. Das sagten sie zumindest, als wir gezwungen waren, sie zu fragen.
    »Hat das etwas mit ihrem Verschwinden zu tun?«, hatte ihr Vater gefragt. Das war eine sehr gute Frage. Hatte das etwas mit dem Mord an der unbekannten Frau zu tun?
    Wir versuchten, in unterschiedliche Richtungen zu denken. Hin und wieder musste ich über den besonderen Charakter dieser Ermittlungen nachgrübeln: Um eine vermisste Person zu finden, musste man ein vermisstes Gesicht finden.
    Wir hatten einen Namen und hatten doch keinen. Wir hatten einen Namen ohne Körper und einen Körper ohne Namen.
    Dann konzentrierten wir uns auf den Inhalt der Tasche, die Annie Lundberg gehört hatte, das hatte Birgitta Sonesson zumindest einmal bestätigt, und sie hatte auch so gut sie konnte den Inhalt identifiziert.
    In der Tasche hatte ein kleines Adressbuch gelegen, das auf der Innenseite des Deckels Annie Lundbergs Namen trug. Das hatten wir Birgitta Sonesson noch nicht gezeigt und auch noch nicht erzählt.
    Eine unserer Hypothesen lautete, dass die ermordete Frau unter den Bekannten von Annie Lundberg zu finden sein musste. Da irgendwo war die Ermordete. Gleichzeitig war ich natürlich sehr misstrauisch, weil Annies Tasche und ihr Führerschein am Tatort gelegen hatten. Wies das nicht in eine völlig andere Richtung? Wie dachte der Mörder? So herum oder so herum? Wenn ich das tue, dann
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