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Winterkrieger

Winterkrieger

Titel: Winterkrieger
Autoren: David Gemmell
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Und – wenn die QUELLE will – wird er einen deiner eigenen Söhne erwählen.«
    Wenn die QUELLE will …
    Aber die QUELLE hatte nicht gewollt.
    Nogusta’ schloss die Hand um den Talisman und starrte ins Feuer, in der Hoffnung auf eine Vision. Aber es kam keine.
    Aus der Satteltasche holte er ein kleines Päckchen und öffnete es. Es enthielt ein paar Streifen getrockneten, eingesalzenen Fleisches. Langsam aß er sie.
    Er legte noch zwei Scheite aufs Feuer und ging zum Bett. Die Decken waren dünn und staubig, deswegen schüttelte er sie aus. Kaum einige Schritte vom Feuer entfernt erschauerte er, dann lachte er über sich. »Du wirst alt«, sagte er zu sich. »Früher hätte dir die Kälte nicht so viel ausgemacht.«
    Am Feuer zog er sein Hemd wieder an. Ein Gesicht kam ihm in den Sinn, scharfgeschnitten, mit einem leichten, freundlichen Lächeln. Orendo der Späher. Sie waren fast zwanzig Jahre zusammen geritten, erst im Dienste des alten Königs, dann in dem seines kriegerischen Sohnes. Nogusta hatte Orendo immer gemocht. Der Mann war ein Veteran, und wenn man ihm einen Befehl erteilte, wusste man, dass er buchstabengetreu ausgeführt wurde. Und er hatte Herz. Einmal, vor einigen Jahren, hatte Orendo ein Kind gefunden, das sich im Schnee verirrt hatte, bewusstlos und halbtot vor Kälte. Er hatte es zurück zum Lager getragen und war die ganze Nacht bei ihm sitzen geblieben, hatte Decken gewärmt und dem Jungen die erfrorene Haut gerieben. Das Kind hatte überlebt.
    Nogusta seufzte. Jetzt war Orendo mit zwei anderen Soldaten auf der Flucht nachdem sie einen Kaufmann ermordet und dessen Tochter vergewaltigt hatten. Sie hatten auch das Mädchen für tot gehalten, doch das Messer hatte ihr Herz verfehlt, und sie blieb am Leben, um die Namen ihrer Angreifer zu nennen.
    »Bring sie nicht zurück«, hatte der Weiße Wolf ihm befohlen. »Ich will sie tot. Keine öffentliche Verhandlung. Schlecht für die Moral.« Nogusta hatte in die hellen, kalten Augen des alten Mannes geblickt.
    »Jawohl, General.«
    »Willst du Bison und Kebra mitnehmen?« fragte der General.
    »Nein. Orendo war Bisons Freund. Ich mache es allein.«
    »War Orendo nicht auch dein Freund?« fragte Banelion und betrachtete ihn prüfend.
    »Willst du ihre Köpfe als Beweis dafür, dass ich sie getötet habe?«
    »Nein. Dein Wort genügt mir«, antwortete Banelion. Das machte Nogusta stolz. Er diente Banelion jetzt seit fast fünfunddreißig Jahren – fast sein ganzes Erwachsenenleben. Der General war kein Mann, der leichtfertig lobte, aber seine Männer dienten ihm mit eiserner Loyalität. Nogusta starrte ins Feuer. Er war mehr als überrascht gewesen, als Orendo ihn verraten hatte. Aber dann wurde Orendo nach Hause geschickt. Wie Bison und Kebra. Und sogar der Weiße Wolf selbst.
    Der König wollte die alten Männer aussortieren. Dieselben alten Männer, die für seinen Vater gekämpft hatten, die die Drenai gerettet hatten, als alles verloren schien. Dieselben alten Männer, die nach Ventria einmarschiert waren und die Armeen des Kaisers zerschlagen hatten. Ausgezahlt und verabschiedet. So lautete das Gerücht Orendo hatte es geglaubt und den Kaufmann ausgeraubt. Doch es war schwer zu glauben, dass. er auch bei der Vergewaltigung und dem versuchten Mord an dem Mädchen beteiligt gewesen war. Die Beweise waren jedoch erdrückend. Sie sagte, er wäre nicht nur der Anstifter der Vergewaltigung gewesen, er selbst hätte ihr auch das Messer in die Brust gestoßen.
    Nogusta starrte schwermütig in die Flammen. Hatte ihn das Verbrechen schockiert? Er verfügte über gute Menschenkenntnis und hätte Orendo keiner solchen schändlichen Tat für fähig gehalten. Aber vor vielen Jahren hatte er gelernt wozu gute Männer fähig waren. Er hatte es in Feuer und Blut und Tod gelernt. Er hatte es gelernt als Träume zerbarsten und Hoffnungen zerschlagen wurden. Er deckte das Feuer zu und schob das Bett näher an den Kamin. Nachdem er seine Stiefel ausgezogen hatte, legte er sich aufs Bett und breitete die dünnen Decken über sich.
    Draußen heulte der Wind.
    Er erwachte im Morgengrauen. Die Hütte war noch immer warm. Er stand auf und zog seine Stiefel an. Das Feuer war zu glühender Asche zusammengefallen. Er nahm einen tiefen Schluck aus seiner Wasserflasche, warf seinen Umhang über, schwang sich die Satteltasche auf die Schultern und ging hinaus zu seinem Pferd. Die rückwärtigen Steine des Kamins waren heiß, die Temperatur im Unterstand deutlich über dem
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