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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill
Autoren: Ueberreuter
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ist tot«, sagte sie.
    »Du hast ihn besiegt.«
    »Wir haben ihn besiegt«, verbesserte sie ihn. Sie griff nach seiner Hand und lächelte schwach. »Ich frage mich nur, was wir den Cops erzählen sollen …«Die Kirche der St. Stephens Mission war bis auf den letzten Platz besetzt. Aus allen Teilen des Reservats waren die Anishinabe in die Stadt geströmt, um nach den dramatischen Ereignissen die heilige Messe zu feiern. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht über den »Mocassin Telegraph« verbreitet.
    Über der weißen Missionskirche lag strahlender Sonnenschein. Die dunklen Wolken waren nach Süden gezogen und bescherten den Bewohnern des Reservats einen ungewohnt warmen Wintertag. Der Wind, der vom Lake Superior heraufwehte, war kaum stark genug, um die Zweige der mächtigen Fichten zu bewegen, die sich um das Gotteshaus erhoben. Die bunten Fenster leuchteten im hellen Licht der Sonne.
    Father Paul kniete vor dem Altar und wandte sich in einem stillen Gebet an Gott, bevor er in die Kanzel trat und sich an die Gemeinde wandte. »Liebe Brüder und Schwestern«, begann er. »Ich freue mich, dass ihr heute besonders zahlreich in unserer Kirche erschienen seid. Ich weiß, es ist ein besonderer Tag für uns alle, ein Tag der Trauer, aber auch ein Tag der Freude, und das Verlangen, diese Gefühle in der Gemeinschaft unserer Kirche zu teilen, ist groß. Ich begrüße auch diejenigen, die von außerhalb kommen und selten in unserer Kirche zu Gast sind.«
    Er wartete, bis sich das Gemurmel, das jeder Predigt vorausging, gelegt hatte. Sein Blick schweifte über die ersten Reihen. Die Mitglieder des Stammesrates mit ihren Familien waren vollzählig erschienen, ebenso die Ältesten, alles ehrwürdige Männer, die ihr weißes Haar mit Stolz trugen und die Weisheit und die Traditionen der Anishinabe in sich vereinten. In der ersten Reihe saßen Willie und Laura Morgan, die Eltern von Candy Morgan. Sie hatten keine Miene verzogen, als sie von Niskigwuns Tod erfahrenhatten. Neben ihnen saßen Jack und Louise Running Wolf, die erst am frühen Morgen aus Grand Forks zurückgekehrt waren. John und Lorena Standing Cloud verharrten im stummen Gebet. Das FBI hatte ihnen erlaubt, mit Sarah zu telefonieren, bevor ihre Tochter erneut die Stadt wechselte, und man hatte ihnen sogar Hoffnung gemacht, dass sie vielleicht schon bald wieder nach Hause zurückkehren könnte. Die Beweise gegen Bruno Cavani waren inzwischen so erdrückend, dass man ihm über kurz oder lang den Prozess machen würde.
    »Hinter uns liegt eine Nacht«, fuhr Father Paul fort, »die viele Veränderungen für unsere Gemeinde gebracht hat. Der Blizzard hat einige Häuser und Autos beschädigt und die Telefonleitungen am Highway heruntergerissen. Das Softball-Spiel gegen die Duluth Highschool muss ausfallen, weil die gegnerische Mannschaft im Schnee stecken geblieben ist.« Er lächelte milde. »Aber das sind alles Dinge, die besonders die Älteren unter uns mit Gleichmut ertragen. Schon die Vorfahren eures stolzen Volkes wussten, dass die Natur, die ›Mutter Erde‹, wie ihr sie nennt, stärker als jeder Mensch ist.« Er deutete auf eines der strahlend bunten Fenster. »Und beweist sie uns nicht auch an einem sonnigen Tag wie heute, wie bezaubernd und freundlich sie sein kann?«
    Er beobachtete zufrieden, wie sich die Mienen der meisten Gemeindemitglieder aufhellten, als sie zu dem Fenster emporblickten. »Die Sonne zeigt uns das lächelnde Gesicht des Herrn«, hatte er einmal in einer Predigt verkündigt.
    Mit fester Stimme, obwohl er die ganze Nacht kein Auge zugetan hatte, fuhr er fort: »Ihr alle kennt die Legende vom Wendigo, dem mächtigen Ungeheuer, das mit den Winterstürmen aus den nördlichen Wäldern kommt und seine hilflosen Opfer verschlingt. Der Schamane,dessen Namen ich nicht nennen will, weil ich die Sitte eures Volkes respektiere, den Namen eines Toten nicht mehr öffentlich in der Mund zu nehmen… dieser Mann soll den Wendigo auf vier unschuldige Frauen gehetzt haben, weil sie angeblich am Selbstmord seines Sohnes schuld waren. Ihr alle wisst, dass das nicht wahr ist. Der Schamane selbst war zu engstirnig und streng, um seinem Sohn die Freiheit zu geben, die er verdiente. Die vier jungen Frauen, auf die er es abgesehen hatte, traf kein bisschen Schuld.
    Ich sage es noch einmal: Es gibt keinen Wendigo. Und doch hat sich das Böse einen Weg zu diesen jungen Frauen gebahnt. Wir beten für die Tochter dieser beiden tapferen Menschen …« Er blickte
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