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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill
Autoren: Ueberreuter
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Hammer gegen die automatische Kupplung des vordersten Wagens, anscheinend war sie eingefroren. Seine ordinären Flüche klangen über die Gleise.
    Sarah blickte über die Schulter und sah, dass einer der Killer gestürzt war und nur mühsam wieder hochkam. Sie gewann etwas Vorsprung und spürte, wie sich die Umklammerung um ihre Kehle löste. Sie konnte wieder frei atmen und fühlte neue Hoffnung und Zuversicht in sich aufsteigen. Wenn sie die Lok rechtzeitig erreichte und der Lokführer nach seinem Funkgerät griff, würden es die Killer vielleicht mit der Angst zu tun bekommen und verschwinden. Nur eine vage Hoffnung, aber mehrhatte sie nicht. Ihre Chancen standen immer noch denkbar schlecht.
    Der Lokführer war in sein Fahrerhaus geklettert und fuhr rückwärts davon, drei Güterwagen im Schlepptau. Die kleine Rangierlok kam nur langsam auf Touren. Ihre Scheinwerfer malten helle Flecken in den Schnee, als sie mit den Wagen der Stadt entgegenfuhr.
    »Halt! Warten Sie!«, rief Sarah, doch der Lokführer hörte sie nicht und fuhr ungerührt weiter. Der Dieselmotor der Lok brummte laut, war sogar im Tosen des Sturms zu hören. Auch ein Blizzard legte die Arbeit auf dem Rangierbahnhof nicht lahm, zumindest bei den Zügen, die unbedingt fahren mussten.
    Neben dem Gleis, über das die Rangierlok die Wagen nach Norden schob, rannte Sarah um ihr Leben. Die Killer hatten aufgeholt, das spürte sie, auch ohne sich umzudrehen. Jeden Augenblick konnten ihr erneut die Kugeln um die Ohren pfeifen, und ihre Verfolger würden nicht immer vorbeischießen.
    Nur noch wenige Schritte bis zu der Diesellok, die rückwärts an den Wagen hing. Der Lokführer musste sie sehen, sie war doch längst in seinem Blickfeld. Aber er blickte in die andere Richtung, er musste auf die Signale achten. Die Lok wurde immer schneller. Sarah weinte vor Wut, hätte laut geflucht, wenn sie den Atem und die Kraft dazu gefunden hätte, und mobilisierte noch einmal alle Kräfte. Wenn sie die Lok nicht einholte, hatte sie keine Chance mehr. Auf den Schienen war sie den Killern rettungslos ausgeliefert.
    Lauf schneller, trieb sie sich in Gedanken an. Nur noch ein paar Schritte, dann hast du es geschafft. Lass dich nicht auf den letzten Metern abhängen. Sie erreichte die Lok, streckte die Hände nach dem Haltegriff aus, bekam ihn zufassen und zog sich mit letzter Kraft auf die Stufen hoch. Beide Hände um das eisige Metall gekrampft fuhr sie mit der Lok davon, weg von ihren Verfolgern, die mehrmals feuerten, sie aber weit verfehlten, so wütend und verärgert waren sie. Sarah beobachtete, wie sie umdrehten und über die Gleise zu ihrem Wagen zurückrannten.
    Erst durch die Schüsse wurde der Lokführer auf sie aufmerksam, ein kräftiger Schwarzer mit einer Wollmütze und einem Schal um den Hals. »Hey, was soll das?«, erschrak er. »Sind Sie wahnsinnig? Waren das Schüsse? Das waren Schüsse, stimmt doch, oder?«
    »Ich … ich …«, japste sie.
    »Wer war das, Miss?« Er betätigte einen Hebel und die Lok wurde langsamer. »Da waren doch zwei Männer! Waren die hinter Ihnen her? Die haben auf Sie geschossen, was?« Die Lok blieb stehen. »Kommen Sie rein, Miss! Er öffnete die Tür und wollte sie in die Kabine ziehen, doch sie kletterte nach unten und sprang in den Schnee. »Wo wollen Sie denn hin, Miss? Die Kerle sind bestimmt noch in der Nähe! Kommen Sie hoch, bei mir sind Sie sicher. Ich rufe die Cops, die kümmern sich um die Sache! Hey, Miss! Bleiben Sie doch hier!«
    Sie hörte ihn kaum noch. Ihren Oberkörper gegen den stürmischen Wind gebeugt, rannte sie weiter nach Norden, den bedrohlich emporragenden Wolkenkratzern im Loop entgegen. Hinter ihr verhallte die aufgeregte Stimme des Lokführers, der nach seinem Funkmikro gegriffen hatte und die Zentrale rief. Bald würden die Cops kommen und das FBI und der Wendigo, denn kampflos würde sich das Monster bestimmt nicht ergeben. Daran würde auch der Zauber des alten Jonathan nichts ändern.
    Die Panik kehrte zurück und mit ihr der unsichtbare Ring, der sich fest um ihren Hals legte und ihr die Kehleabzuschnüren drohte. Sie lief quer über die Schienen, hatte die Schmerzen längst verdrängt und erreichte den Parkplatz eines Lagerhauses am Lake Shore Drive. Um vier Uhr morgens und bei diesem Wetter war selbst auf dieser Straße wenig Verkehr. Nur vereinzelt fuhren Autos, meist Taxis, an ihr vorbei.
    Sie blieb stehen und blickte in beide Richtungen, unschlüssig, was sie als Nächstes tun sollte.
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