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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill
Autoren: Ueberreuter
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gehabt. Wir waren Niskigwun nicht böse. Er hatte seinen Sohn verloren und musste seinen Schmerz irgendwie loswerden. Aber das ist fünf Jahre her. Es war nach dem Abschlussball in der Highschool. Danach verstreuten wir uns in alle Winde. Wendy und ich gingen aufs College, Candy ging nach Chicago, Flo nach New York. Jeder landete in einer anderen Welt und wir verloren den Kontakt zueinander. Wie das so ist nach der Schule. Warum sollte Niskigwun fünf Jahre später auf die Idee kommen, den Wendigo auf uns zu hetzen? Auf Candy und mich und …« Sie erschrak. »Mein Gott! Wenn es wirklich so ist, müssen wir Wendy und Flo warnen. Was soll ich nur tun, Jonathan?«
    Der Indianer hatte sich auch diese lange Rede reglos angehört und überlegte lange. »Ich weiß nicht, ob es so ist, wie du sagst, doch eines muss dir klar sein: die Polizei oder das FBI können dir bei deinem Kampf gegen den Wendigo nicht helfen. Einen bösen Geist der Anishinabe kann man nur mit dem Wissen eines Mannes vertreiben, wie ich einer bin. Deshalb hat dich Kitche Manitu zu mir geführt. Ich werde dir helfen, den Wendigo zu besiegen.«
    Sie blickte ihn erstaunt an. »Willst du ein Feuer anzünden? Ein Feuer, so groß, dass der Wendigo darin verbrennt? Das kannst selbst du nicht.«
    »Ich weiß«, sagte er. In seinen Augen leuchtete ein kaum merkliches Lächeln auf. »Aber ich kenne die Tänze und die Lieder, die sein Herz angreifen und ihn vertreiben. Tanz mit mir, sing mit mir und du wirst gegen ihn gewinnen. Vertrau mir, mein Kind!«
    Sie vertraute ihm und wartete geduldig, bis er eine Handtrommel aus seiner Hütte geholt hatte und sich in rhythmischen Schritten über den Schnee bewegte. Sehr zur Belustigung der Zwillinge und Elaines, die sich vor Vergnügen auf die Schenkel klopften und sich prächtig amüsierten, folgte sie ihm auf den Platz vor dem Feuer, ahmte jede seiner Bewegungen und jeden seiner Schritte nach. Bei den Pow-Wows, den indianischen Tanzfesten, war sie in ihrer Jugend immer eine der Aktivsten gewesen. Diese Erfahrung kam ihr zugute, als sie sich dem treibenden Rhythmus der Handtrommel hingab und dem beschwörenden Gesang ihres Lehrmeisters lauschte. Beinahe eine halbe Stunde tanzten sie. Ihre Schritte wurden immer schneller, sein Gesang ständig lauter, das lodernde Feuer in der offenen Tonne immer größer, als würde es in der Zeremonie des Indianers eine willkommene Nahrung finden.
    Nach dem letzten Trommelschlag streckte er beide Armein den wirbelnden Schnee, der inzwischen auch unter der Brücke zugenommen hatte, und sprach ein Gebet. »Kitche Manitu, hilf dieser jungen Frau, den Wendigo zu besiegen. Gib ihr die Kraft, ihn ins dunkle Reich der Dämonen zurückzutreiben.«
    Sarah blieb mit geschlossenen Augen neben dem Indianer stehen, erinnerte sich an Worte, die sie längst vergessen zu haben glaubte, und fühlte neue Kraft und neuen Mut in sich aufsteigen. Sie war bereit für den Kampf.
    Doch als sie die Augen öffnete, sah sie einen dunklen Lexus über die Uferstraße heranbrausen, und ihr wurde klar, dass die Killer sie gefunden hatten.
    Warum Father Paul nach seiner Auseinandersetzung mit den beiden Steinewerfern bei Niskigwun vorbeifuhr, wusste er selbst nicht. Vielleicht trieb ihn eine dunkle Ahnung zu dem verwitterten Blockhaus abseits der kleinen Siedlung.
    Als er den Highway verließ und über einen verschneiten Forstweg fuhr, schaltete er wieder in einen niedrigen Geländegang und trieb den altersschwachen Bronco mit ächzendem Motor durch den Schnee. Für neue Winterreifen hatte das Geld der Mission nicht gereicht und er kam nur mühsam voran. Alle paar Schritte drehten die Räder im tiefen Neuschnee durch und der Wagen rutschte gefährlich zur Seite.
    Die Scheibenwischer, ebenfalls altersschwach, mühten sich mit dem Schnee ab, der gegen die Frontscheibe peitschte. Selbst bei aufgeblendeten Scheinwerfern konnte er kaum etwas erkennen.
    Als er in die schmale Seitenstraße bog, bei gutem Wetter ein etwas holpriger, aber leicht befahrbarer Feldweg, kam ihm ein Pick-up entgegen. Sein erster Gedanke war: dieSteinewerfer. Doch dann hielt der Wagen und er erkannte das Nummernschild der Morgans. Dass Willie und Laura Morgan, die Eltern der toten Candy, mitten in der Nacht von Niskigwuns Haus zurückkamen, konnte nur einen Grund haben.
    Father Paul hielt an und stieg aus. Eine Hand gegen die blendenden Scheinwerfer des Pick-ups erhoben, trat er vor das Fahrerfenster und bedeutete Willie mit einer ungeduldigen
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