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Winter in Maine

Winter in Maine

Titel: Winter in Maine
Autoren: Gerard Donovan
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ihn zurück und wieder vor, um die eine Patrone aus zuwerfen und die nächste zu laden, und hoffte, beim Anblick eines Gewehrs, das in seine Richtung zeigte, würde der Mann sich bewegen. Los! Rühr dich! Irgendwie musste ich ihn dazu bringen.
    Doch er bewegte sich nicht, sondern atmete, und ich sah das Atemwölkchen, zielte darauf und schoss.
    Sofort war meine Hand wieder am Verschluss direkt über dem Abzug und lud durch. Zuerst war das Stöhnen zu hören, und wieder sah ich, wie der Wald sich bewegte, dann wurde auch dieser in Drillich gekleidete Mann wackelig in den Knien und sank zu Boden. Ich ging hinüber, da ich vermutete, dass die Wunde nicht tödlich war. Als ich bei ihm ankam, versuchte er nachzuladen, während aus seiner rechten Schulter das Blut strömte und den Stoff seiner Jacke rot färbte.
    Mit schlaffem Kinn, die Augen vor Schmerz verdreht, sah er mich kommen. Träge und teilnahmslos blickte er zu seinem Freund hinüber.
    Du hast bei deinem Schuss Pech gehabt, sagte ich. War ein guter Schuss. Du hättest mich fast erwischt, aber du hast auf die schmalste Stelle meines Körpers gezielt.
    Er fummelte an der Armbrust herum, und ich trat sie ihm aus den Händen. Der Kerl war knochig, hatte kaum Fleisch auf den Rippen und lief trotz seiner Drahtigkeit Gefahr, an den Gelenken schnell auszukühlen. Er zitterte an Armen und Beinen, das war der Schock, der ist schlimmer als jede Wunde.
    Erloschen, Armbrust jäger. Du Scheißkerl, sagte er.
    Das war nicht nötig, sagte ich und schoss ihn in den Erd boden, und das Schießpulver aus dem zweiten Loch in seinem Körper duftete wie eine schwarze Blume.
    Ich ging zu dem Ersten hinüber, der sich, seit er gestürzt war, nicht m ehr gerührt hatte, aber schwerfä llig betete oder irgend was sagte, das weder mir noch ihm selbst galt, sondern jemand anderem, der nicht anwesend war. Ich lud wieder durch, legte die Enfield auf den Boden und zog die Zeichnung von Hobbes aus der Hemdtasche, drehte den Mann auf den Rücken, hielt ihm das Bild vors Gesicht und blickte ihm direkt in die Augen, um zu sehen, ob er eine Reaktion zeigte.
    Hast du meinen Hund erschossen, den hier?
    Er sagte etwas, doch der Schock unterbrach seinen Speichel fluss und beraubte ihn der Möglichkeit, Worte hervorzubringen. Dennoch versuchte er es. Sein Kopf fiel zur Seite, sein Mund bewegte sich im Schmutz, als wollte er mit der Erde reden statt mit mir. Sein rechtes Auge war feucht, ihm lief der Rotz aus der Nase, unter der hochgerutschten Jacke sah ich einen lila Fleck in der Nierengegend. Sein Mund bewegte sich wieder, klappte im Schmutz auf und zu und sprach seine geheimen Worte aus. Behalt es für dich, ist schon in Ordnung, es ändert nichts mehr.
    Doch er war schon nicht mehr bei sich, betäubt vom Schock, er schüttelte den Kopf, oder der Kopf schüttelte ihn, und ich fragte ihn noch einmal, fragte ihn eindringlich, ob er meinen Hund erschossen habe, ob er ein Hundemörder sei, aber er sank ins Laub zurück, und als ich mich bückte, um ihn hoch zuheben, war er nur noch ein feuchter roter Lumpen von einem Mann in Tarnkleidung.
    Ich sagte: Du hast aus einem Versteck geschossen, aber ich hab dich gesehen. Und dein Geleit ist ein Galgenstrick.
    Ich glaubte, einen Funken aufleuchten zu sehen, eine Art Verwirrung.
    Bittich, sagte ich dann, war dein Versteck nicht gut genug verborgen? Ich hab dich erlegt, hab dich erledigt.
    Ich wartete neben ihm, bis er starb, und sagte ihm ein Ave ins Ohr, obwohl er schon nichts mehr hörte. Nach allem, was passiert war, glaubte ich, dass der Mann, der meinen Hund erschossen hatte, jetzt höchstwahrscheinlich tot war, und vie le wären bestimmt der Ansicht, dass ich Unrecht getan hatte. Und damit hätten sie recht, denn zwei von den dreien waren es nicht gewesen, und diese beiden hatte ich fraglos zu Unrecht erschossen, besonders weil ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und ansonsten ein Mann von Prinzipien war.
    Ich musste nur noch den Wald säubern und die beiden zu ihrer letzten Ruhestätte bringen. Nach kurzem Nachdenken schleppte ich sie zum Pick-up des vorigen Mannes und leg te sie auf der Sitzbank übereinander, den Kopf des einen auf die Füße des anderen, damit sie nicht umkippten. Schließlich waren sie Freunde. Als ich die Windschutzscheibe wieder mit Laub und Zweigen abgedeckt hatte, kehrte ich auf dem Pfad im Nu zur Hütte zurück, wo ich das Gewehr reinigte und im Kasten in der Scheune verstaute.
    16
    Eine Frau riet mir einmal, mir einen Hund
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