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Winter in Maine

Winter in Maine

Titel: Winter in Maine
Autoren: Gerard Donovan
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hage ren Riesen entdeckt, der in einer winzigen Hütte lebt.
    Wir nannten den Hund Hobbes, nach einem Philosophen, dem ersten Namen, auf den unser Blick fiel, als wir aufs Ge ratewohl ein Buch aus dem Regal zogen. Also hatte Hobbes seinen Namen einem Zufall zu verdanken. Es hätte genauso gut Charles, Hugo, Stevenson oder Leviathan sein können, zum Glück nicht Letzterer mit seinen vielen Silben. Eines Mittwochabends brachte Claire aus einem Laden in der Stadt ein Hundekörbchen mit, und Hobbes fand sofort Gefallen daran und verbrachte viele glückliche Tage in das Körbchen gekuschelt, doch im Lauf der Wochen wurde er zu groß dafür und brauchte mehr Platz. Terrier sind schlau. Rasch lernte er die Worte »gehen«, »laufen« und »fahren«, die drei Worte, die er kannte, oder zumindest die, von denen er es mich wissen ließ. Beim Klirren der Autoschlüssel kam er aus dem Wald gesprungen oder kratzte an der Tür, um nach draußen zu kommen. Wenn wir durch die Landschaft fuhren, streckte er stets den Kopf aus dem Fenster und ließ sich den Wind ins Gesicht wehen. Er war ein durch und durch glücklicher Hund, vielleicht auch, weil Hunde ein kurzes Leben haben und einen speziellen Sinn für das Verstreichen der Zeit besitzen. Sie fres sen mit Inbrunst, sie spielen mit Inbrunst, sie schlafen mit Inbrunst.
    Und jedes Mal, wenn Claire zu Besuch kam, hörte er ihren Pick-up früher als ich, lief ihr zwischen den Beinen herum und sprang hoch, um ihr das Gesicht abzulecken.
    Er leckt dich ab, um bei dir seinen Duft zu hinterlassen, sagte ich.
    Sie sagte: Und ich dachte, er mag mich. Das auch, erwiderte ich.
    17
    Im zweiten Sommermonat kam Claire zweimal pro Woche vorbei, manchmal auch, wenn ich in den Gärten reicher Leute in Fort Kent oder in der Autowerkstatt arbeitete. Ich schloss nie die Tür ab, denn ich hatte ja Hobbes, der zu einem freund lichen, aber lebhaften kleinen Pitbullterrier herangewachsen war, also ging Claire hinein und las Bücher oder setzte sich auf die Veranda und betrachtete den Wald oder kümmerte sich um die Blumen. Ich hatte weder Telefon noch Fernsehen, und vermutlich gefiel ihr die Stille des Waldes, trotz des Gegackers der Perlhühner, und mit der Zeit genoss sie den Rhythmus, der die Sorge linderte, die sie anscheinend mit sich herumschleppte, eine Angst, die urplötzlich auftauchte und nicht wieder verschwinden wollte.
    Abends tranken wir aus Pappbechern Tee und den Wein, den sie aus dem Supermarkt mitbrachte, und manchmal kram te ich die türkischen Zigaretten hervor, die ich für besondere Anlässe aufbewahrte. Mir gefiel, wie ich mich auf der Heimfahrt freute, mit ihr zusammen zu sein, sie abends zu sehen, mir gefiel die Vorfreude auf ihren Duft, auf ihre Berührung, die mich erzittern ließ wie Espenlaub, das Glücksgefühl, wenn ich ihren Pick-up auf der Lichtung stehen sah.
    Gegen Ende des Sommers kam sie eines Tages nicht mehr.
    Ich begann gerade, mich an sie zu gewöhnen, und begriff nicht, warum sie wegblieb. Monatelang hörte ich nichts von ihr und fragte mich, ob etwas passiert war, also fuhr ich nach Fort Kent, um sie zu suchen. Doch das war schwierig, denn sie hatte mich nie zu ihren Eltern mitgenommen, die ihr zu folge in St. Agatha wohnten, auch nicht zu sich nach Hause oder zu ihren Freunden. Ich ließ es dabei bewenden, denn die Menschen haben ihre Gründe, und wenn man sie danach fragen muss, ist das schon eine Frage zu viel. Ihre Eltern waren bestimmt nette Leute, die nichts von mir wussten oder nichts mit mir zu tun haben wollten.
    Schließlich lief ich ihr zufällig vor einem kleinen Cafe über den Weg.
    Mit betrübter Miene sagte sie: Er hat ein Haus und einen Beruf.
    Wer?, fragte ich.
    Du weißt schon.
    Nein, weiß ich nicht. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach, doch es klang nach einem anderen Mann.
    Sie las meine Gedanken oder sah es mir am Gesicht an, denn sie sagte, sie sei schon eine Weile mit ihm zusammen. Er woh ne auch in der Stadt. Vielleicht sollte ich das wissen.
    Ich muss mich auch um mich kümmern, sagte sie.
    Ja, das stimmt, erwiderte ich, und im se l ben Augenblick verlor ich sie. Ich wusste nicht, wer der andere Mann war, und hatte das Gefühl, sie hatte sich tatsächlich die ganze Zeit mit ihm getroffen. Und sie hatte mich verlassen.
    All das liegt schon Jahre zurück, doch noch immer schweift mein Blick in den manchmal weißen, manchmal grünen Wald, in der Hoffnung, dass sie eines Abends auftaucht und zu mir zurückkommt, aber dann wird mir klar,
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