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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Autoren: Ken Follett
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hart im Nehmen. Bald hatte er mehrere Pokale errungen. Er war ein so guter Boxer, dass seinTrainer sichtlich enttäuscht war, als Lloyd ihm verkündet hatte, lieber nach Cambridge zu gehen, als Profi zu werden.
    Lloyd duschte, zog sich an und ging in eine Arbeiterkneipe. Dort bestellte er sich ein Glas Pils und setzte sich an einen Tisch, um seiner Halbschwester Millie über den Vorfall mit den Braunhemden zu schreiben. Millie war neidisch auf ihn, weil er seine Mutter auf dieser Reise begleiten durfte, und Lloyd hatte versprochen, ihr zu schreiben, sooft es ging.
    Der Aufruhr an diesem Morgen hatte ihm einen ziemlichen Schock versetzt. Politik war ein Teil seines Lebens. Seine Mutter war Parlamentsabgeordnete, sein Vater Stadtrat in London, und er selbst war Vorsitzender der Labour-Jugend in der Hauptstadt. Doch in der Politik, wie Lloyd sie kannte, wurden Kämpfe stets als Debatten oder an der Wahlurne ausgefochten … bis heute. Lloyd hatte noch nie gesehen, wie eine Zeitungsredaktion von uniformierten Schlägern demoliert wurde, während die Polizei dabeistand und zuschaute. Das war keine Politik, das war der nackte Terror.
    Ob so etwas auch in London geschehen könnte, Millie?, schrieb er. Wahrscheinlich nicht. Aber auch unter den britischen Industriellen und Zeitungsverlegern hatte Hitler Bewunderer. Erst vor ein paar Monaten hatte der Parlamentsabgeordnete Sir Oswald Mosley, ein Außenseiter, eine faschistische Partei ins Leben gerufen, die British Union of Fascists, kurz BFU . Wie die Nazis marschierte die BFU mit Vorliebe in Uniform durch die Straßen. Was würde als Nächstes kommen?
    Lloyd beendete den Brief, steckte ihn ein und nahm eine S-Bahn zurück ins Stadtzentrum. Er und seine Mutter wollten sich mit Walter und Maud zum Abendessen treffen. Sein Leben lang hatte Lloyd nun schon Geschichten über Maud gehört. Sie und seine Mutter waren die besten Freundinnen. Ethel hatte ihr Berufsleben als Dienstmädchen in einem Herrenhaus begonnen, das Mauds Familie gehörte. Später waren sie gemeinsam bei den Suffragetten gewesen und hatten für das Frauenwahlrecht gekämpft. Während des Krieges hatten sie eine feministische Zeitung herausgegeben, The Soldier’s Wife . Dann aber hatten sie sich über politische Fragen zerstritten und waren getrennte Wege gegangen.
    Lloyd erinnerte sich noch lebhaft an den Besuch der von Ulrichs in London. Er war damals zehn gewesen, alt genug, dass es ihmpeinlich gewesen war, kein Deutsch zu sprechen, während Erik und Carla, fünf und drei Jahre alt, sowohl Deutsch als auch Englisch beherrschten. Bei diesem Besuch hatten Ethel und Maud ihren alten Streit beigelegt.
    Lloyd ging zu dem Restaurant, in dem sie verabredet waren, dem Bistro Robert, das im Stil des Art déco mit rechteckigen Tischen und Stühlen sowie mit kunstvollen, schmiedeeisernen Tiffanylampen eingerichtet war. Vor allem gefielen Lloyd die gestärkten weißen Servietten, die neben den Tellern standen.
    Die anderen waren bereits da. Die Frauen waren elegant gekleidet, attraktiv und strahlten Selbstbewusstsein aus, sodass sie die bewundernden Blicke anderer Gäste auf sich zogen. Lloyd fragte sich, ob seine Mutter ihr Stilgefühl von ihrer adligen Freundin gelernt hatte.
    Nachdem sie bestellt hatten, kam Ethel auf den Grund ihrer Reise zu sprechen. »Ich habe meinen Parlamentssitz 1931 verloren«, sagte sie. »Aber ich hoffe, ihn bei der nächsten Wahl zurückzugewinnen. Bis dahin muss ich allerdings Geld verdienen. Zum Glück hat Maud mir das Journalistenhandwerk beigebracht.«
    »So viel musste ich dir gar nicht zeigen«, sagte Maud. »Du bist ein Naturtalent.«
    »Ich schreibe gerade eine Artikelserie über die Nazis für den News Chronicle , und der Verleger Victor Gollancz hat mir einen Buchvertrag gegeben. Ich habe Lloyd als Dolmetscher mitgebracht. Er ist gut in Deutsch und Französisch.«
    Lloyd sah ihr stolzes Lächeln und hatte das Gefühl, es nicht verdient zu haben. »Mein Können als Dolmetscher und Übersetzer ist bis jetzt allerdings nicht ernsthaft auf die Probe gestellt worden«, relativierte er die Aussage seiner Mutter. »Bisher habe ich nur Leute wie Sie kennengelernt, die perfekt Englisch sprechen.«
    Lloyd hatte Fasan in Brotkruste bestellt, ein Gericht, das er in England noch nie gesehen hatte. Es war köstlich. Während sie aßen, fragte Walter: »Müsstest du nicht in der Schule sein?«
    »Mom meinte, ich würde auf dieser Reise mehr Deutsch lernen als aus Büchern, und die Schule sah das
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